Steuerrecht: Abgaben auf fiktive Fondsgewinne
Warum Ihnen jetzt Vorabpauschalen belastet werden
Wer an der Börse aktiv ist, weiß: Aktien oder Aktienfonds, die regelmäßig Gewinne abwerfen, sind zu versteuern – es sei denn, die Erträge liegen unter dem Sparerpauschbetrag.
Jetzt greift eine Änderung im Steuerrecht aus 2018 wieder: die Vorabbesteuerung bei Fonds mit reinvestierenden Gewinnen, vor allem also bei thesaurierenden Fonds. Verankert ist die Regelung in der Investmentsteuerreform. Da für die Steuerjahre 2021 und 2022 aber der Basiszins negativ war, wurde für die beiden Jahre auch keine Vorabpauschale berechnet - und das Thema ist für alle wieder ein bisschen in den Hintergrund getreten.
2023 fallen nun wieder Steuern auf einen theoretischen Gewinn an. Dieser berechnet sich auf Grundlage der Kursentwicklung des Fonds und einer Basisverzinsung. Für das Steuerjahr 2023 ist der Basiszins aufgrund der Zinswende wieder positiv und beträgt 2,55%.
Depotbank ermittelt Vorabpauschale
Die depotführende Bank ermittelt für Sie den Gewinn des Jahres 2023 zum Stichtag 2. Januar 2024. Sie führt die fällig werdende Steuer ans Finanzamt ab. Allerdings sind die Fondsgewinne bei thesaurierenden – sprich: reinvestierenden – Fonds nicht real, sondern nur fiktiv vorhanden. Weil es keinen tatsächlichen Gewinn gibt, von dem die depotführende Bank Steuern einbehalten kann, bucht sie zumeist das Geld fürs Finanzamt von einem Verrechnungskonto ab, das Anleger*innen bei ihr haben. Eine Zustimmung der Anleger*innen muss sich die Bank für diese Abbuchung nicht einholen.
Wichtig: Die depotführende Bank darf selbst dann Steuern von den fiktiven Fondsgewinnen einziehen, wenn das Konto dadurch ins Minus gerät. Um zu vermeiden, dass Überziehungszinsen anfallen, sollten Anleger*innen dafür sorgen, dass ihr Konto ausreichend gedeckt ist.
Für Depotkundinnen und Depotkunden der ING gut zu wissen: Wenn beim ersten Abrechnungsversuch das angegebene Verrechnungskonto für das Depot nicht ausreichend gedeckt war, probieren wir einige Wochen später nochmal, den Betrag einzuziehen. Wie alle Banken ist auch die ING verpflichtet, das zuständige Betriebsstättenfinanzamt zu informieren, wenn die Belastung aufgrund fehlender Deckung fehlschlägt. Sie erhalten zuvor einen Hinweis auf Ihrer Abrechnung.
Sparerpauschbetrag gut verteilen
Wer den Einbehalt von Steuern auf fiktive Fondsgewinne vermeiden will, sollte den Sparerpauschbetrag gezielt auf die Anlageprodukte verteilen. Der Sparerpauschbetrag beläuft sich auf 1.000 Euro bei Ledigen beziehungsweise 2.000 Euro bei zusammen veranlagten Ehepaaren. Dafür müssen Sie Freistellungsaufträge in entsprechender Höhe bei den Anlageinstituten hinterlegen. Erst wenn die angegebenen Erträge höher ausfallen, werden Steuern einbehalten und vom Konto abgebucht.
Keine Doppelbesteuerung der Fondsgewinne
Eine Doppelbesteuerung der Fondsgewinne gibt es nicht. Wenn Sie auf die Vorabpauschale Steuern zahlen, hat es quasi eine vorgezogene Besteuerung gegeben. Verkaufen Sie später Fondsanteile und erwirtschaften dadurch einen tatsächlichen Gewinn, berücksichtigt der Fiskus die bereits abgeführte Steuer.
Ausschüttend oder thesaurierend?
Wer es nicht möchte, dass die depotführende Bank gegebenenfalls Steuern vom Konto einzieht, sollte auf einen ausschüttenden Fonds setzen. Denn dort gehen die Steuern einfach von den Erträgen herunter.
Gut zu wissen: Auch bei einem ausschüttenden Fonds kann es zur Belastung einer Vorabpauschale kommen. Das passiert immer dann, wenn die Ausschüttung unterhalb des Basisertrages des jeweiligen Jahres liegt. Wenn beispielsweise der Basisertrag im Betrachtungsjahr bei 100 Euro liegt, die Ausschüttung im gleichen Zeitraum nur 80 Euro beträgt, so beträgt die Vorabpauschale 20 Euro.
Was womöglich für einen thesaurierenden Fonds spricht: Der Wert des Fonds steigt, da die Gewinne bei thesaurierenden Fonds im Fondsvermögen bleiben, um damit neue Aktien zu kaufen. Das Ergebnis sehen Sie bei einem direkten Vergleich der Varianten. Ansammelnde Fonds haben Experten zufolge eine höhere Kursrendite als ausschüttende Fonds.
Ein Zinseszinseffekt ist allerdings auch bei ausschüttenden Fonds möglich. Dafür müssen Anleger*innen die ausgezahlten Erträge selbst wieder anlegen. Bei manchen Banken kann das automatisch erfolgen, meist müssen Sparer*innen aber selbst aktiv werden. Nicht ausgeschlossen ist, dass Transaktionskosten beim Kauf neuer Anteile entstehen – wodurch unnötige Kosten anfallen können.