Die Pflegeversicherung im Umbau
Pflegereform: Sicherheit für die Zukunft
Die Pflegeversicherung in Deutschland steht vor enormen Herausforderungen. Mit der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen und den damit verbundenen finanziellen Belastungen wird eine umfassende Reform immer dringlicher. Doch welche Maßnahmen sind geplant und welche Auswirkungen werden sie haben? Wir klären auf.
Warum ist eine Finanzreform notwendig?
Die Pflegeversicherung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Sozialversicherung und bietet Unterstützung für Millionen Pflegebedürftige. Doch das System stößt zunehmend an seine Grenzen. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen kontinuierlich steigt. Laut Statistischem Bundesamt waren Ende 2021 fast fünf Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). In den kommenden Jahren dürfte diese Zahl noch weiter zulegen.
Mit den steigenden Pflegezahlen geraten auch die Pflegekassen zunehmend unter Druck. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung wurde bereits mehrfach angehoben, um den finanziellen Bedarf zu decken. Seit dem 1. Juli 2023 gilt folgender Satz für die Pflegeversicherung: Die allgemeine Beitragshöhe beträgt 3,4 Prozent (bisher: 3,05 Prozent) des Bruttoeinkommens. Der Zuschlag für Kinderlose liegt nun bei 0,6 Prozent (bisher: 0,35 Prozent). Für Familien mit mehr als einem Kind unter 25 Jahren gibt es Abschläge. Der Abschlag gilt nur für den Arbeitnehmeranteil. Der Anteil für Arbeitgebende beträgt immer 1,7 Prozent beziehungsweise 1,2 Prozent in Sachsen.
Zunehmende Finanzierungsprobleme
Die Pflegeversicherung erwartet für dieses Jahr rote Zahlen und sieht wachsende Finanzrisiken. Im ersten Quartal 2024 habe ein Defizit von 650 Millionen Euro bestanden, sagt Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandschef des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen, der auch die Pflegekassen vertritt. Im Gesamtjahr wird mit einem Minus von 1,5 Milliarden Euro gerechnet, für das kommende Jahr gar von 3,4 Milliarden Euro. Dies entspräche einer weiteren Beitragsanhebung von 0,2 Punkten.
GKV-Vorstand Kiefer betonte, der Finanzdruck sei hoch, sodass die Pflegekassen mit bestimmten Instrumenten ihre Liquidität sichern müssten. Um die Zahlungsfähigkeit zu sichern, seien daher ab Januar 2025 zusätzliche Mittel nötig. Das System sei am Wackeln, befürchtet Kiefer. Dringend nötig seien ein Konsens, um die Pflege zukunftsfest zu machen, und eine grundlegende Finanzreform. Nur an der Beitragsschraube zu drehen, sei keine nachhaltige Lösung.
Ohne tiefgreifende und nachhaltige Reformen stehe die soziale Pflegeversicherung vor erheblichen Finanzierungsproblemen, geht auch aus dem Ende Mai dieses Jahres vorgestellten Bericht der Bundesregierung „Zukunftssichere Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung“ hervor. Dazu erklärt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Es ist höchste Zeit, dass die Politik von der Problemanalyse zum Handeln kommt. Es gibt kein Erkenntnisdefizit, sondern seit Jahren ein erhebliches Umsetzungsdefizit.“
Die Reformvorschläge im Überblick
Die geplante Reform zielt darauf ab, die finanzielle Basis der Pflegeversicherung zu stärken und gleichzeitig die Belastungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in Grenzen zu halten. Ein zentraler Punkt ist die Anpassung des Beitragssatzes. Diskutiert wird, ob dieser weiter erhöht oder durch zusätzliche Steuermittel unterstützt werden soll. Steuermittel könnten dazu beitragen, die Beitragslast für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu senken und die Pflegeversicherung langfristig zu stabilisieren. Ein weiterer Reformschritt betrifft die Pflegekassen und ihre Leistungen. Die bürokratischen Hürden sollen gesenkt und die Antragstellung für Pflegeleistungen vereinfacht werden. Zudem soll die ambulante Pflege gestärkt werden, um Pflegebedürftigen eine längere Versorgung in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.
Kritik am geplanten Vorhaben
Sozialverbänden gehen die Vorschläge zur Finanzreform der Pflegeversicherung nicht schnell und weit genug. Maria Loheide von der Diakonie Deutschland bemerkte, kurzfristig ließen sich Finanzlücken schließen, wenn die Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen und die 4,5 Milliarden Euro Vorleistung der Pflegeversicherung aus der Coronazeit aus Steuermitteln finanziert würden.
Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, glaubt, dass, Senioren, die über ein gewisses Vermögen verfügen, mehr in die Pflegekassen einzahlen sollten. Die Lasten dürften nicht allein auf die jüngere Generation geschoben werden und Wohlhabende verschonen, sagte sie der Funke Mediengruppe.
Experten warnen jedoch davor, Leistungen nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen und ohne eine sichere Gegenfinanzierung auszuweiten. „Wer (…) Leistungsansprüche ausweitet, verursacht in unserer stark alternden Gesellschaft eine Überlastung der künftigen Beitragszahler“, so Frank Wild, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherung (WIP).