Frugalismus im Trend
Was verbirgt sich hinter dem FIRE-Trend?
Zeitdruck, Überstunden und nörgelnde Chefs: Viele Menschen haben keine Freude an ihrem Joballtag. Doch ist das Prinzip, zehn bis 20 Jahre arbeiten, in der Zeit ein Vermögen anlegen, dann kündigen und von dem Ersparten leben, umsetzbar?
Mit Arbeit Geld verdienen – für die allermeisten ist das ein Muss. Ein schönes Leben ist schließlich nicht umsonst. Doch der Berufsalltag kann äußerst nervenaufreibend sein. Manch einer wünscht sich daher, maximal 20 Jahre zu arbeiten, sich in der Zeit ein Vermögen aufzubauen und ab dann von dem Ersparten zu leben.
Und genau das ist das Ziel derjenigen, die sich dem sogenannten FIRE-Trend verschrieben haben. Was verbirgt sich dahinter und wie realistisch ist das? Darum dreht sich diesmal unsere Finanzfrage des Monats. Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Praxistauglich kann das für Besserverdiener sein, die über wirklich viel Vermögen verfügen. Weniger gut Verdienende sollten skeptisch sein.
Wofür steht FIRE?
Fangen wir ganz von vorne an. Die vier Buchstaben FIRE stehen für Financial Independence, Retire Early. Auf Deutsch heißt das: finanzielle Unabhängigkeit, frühe Rente. Normalerweise arbeiten Angestellte mehrere Jahrzehnte und gehen dann zehn bis 20 Jahre oder länger in Rente. Dieses Prinzip kehren Anhänger der FIRE-Bewegung um: Sie arbeiten zehn bis 20 Jahre sehr hart – und danach nicht mehr. Ihren Lebensunterhalt finanzieren sie anschließend durch ein selbst erarbeitetes, passives Einkommen.
Woher kommt FIRE?
Die Bewegung entstand in den USA. Inzwischen gibt es auch in Deutschland immer mehr Frauen und Männer, die sich einen Großteil ihres Lebens ohne ein Arbeitseinkommen finanzieren wollen. Menschen, die dieses Ziel verfolgen, nennen sich „Frugalisten“. In der Bezeichnung steckt das englische Wort „frugal“. Auf Deutsch heißt es: genügsam sein.
Wie lebt man genügsam?
Sparen, sparen, sparen: Das ist die Devise der Frugalisten. Das Geld, das sie nicht ausgeben, legen sie an. So häufen sie mit der Zeit ein Vermögen an. Doch wie kann man überhaupt sparen? Es gibt viele Wege:
- Einmal im Jahr Versicherungen checken und zum günstigsten Anbieter wechseln
- Strom- und Gasanbieter regelmäßig wechseln
- Auf ein eigenes Auto verzichten und stattdessen Bus, Bahn oder Fahrrad nutzen
- Sonderangebote gezielt checken und einkaufen
- Selber kochen, statt teuer Essen gehen
- Leitungswasser trinken, statt kostspieligere Getränke kaufen
- Sich angewöhnen, mit einem bestimmten Geldbetrag pro Woche auszukommen
- Statt in ferne Ländern reisen, Urlaub auf „Balkonien“ machen
- Statt neue Bücher kaufen, Lesestoff in der Stadtbibliothek ausleihen
Die Liste der Sparmöglichkeiten ließe sich beliebig fortsetzen. Doch strenges Sparen allein reicht nicht. Das beiseitegelegte Geld muss wachsen. Das klassische Sparbuch auf der Bank ist in Zeiten von Mini-Zinsen dafür der falsche Weg.
Wie lässt sich Geld vermehren?
Über Tages- und Festgeldkonten ist es quasi unmöglich, sein Erspartes nennenswert wachsen zu lassen. Wer sattere Renditen einstreichen will, kommt an der Börse nicht vorbei.
- Die Anlage in Einzelaktien und Aktienfonds sollte immer langfristig erfolgen. Das liegt an den Kursschwankungen. Sie fallen mal größer und mal kleiner aus. Bei einem Anlagehorizont von mindestens zehn Jahren können Anleger Phasen, in denen die Aktienkurse niedrig sind, in aller Regel aussitzen.
Bei der Suche nach dem individuell richtigen Finanzprodukt können auch Experten helfen.
- Kauf und Verkauf von Aktien kosten Geld. Wie viel genau der Anleger zahlen muss, ist unterschiedlich. Die Kosten fallen besonders hoch aus, wenn ein Fondsmanager den Bestand aktiv betreut. Geringer sind die Kosten im Falle von Indexfonds (ETFs). Ein Vergleich lohnt sich.
Ab 40 oder 45 Jahren nur noch vom Ersparten leben?
Das könnte unter bestimmten Voraussetzungen funktionieren. Nach einer Faustregel kann man von langfristig angelegtem Vermögen etwa 4% jährlich entnehmen. Damit diese 4% für den Lebensunterhalt ausreichen, muss das Vermögen entsprechend groß sein. Im Klartext heißt das: Nötig ist in etwa das 25-Fache der Ausgaben, die man pro Jahr fürs Leben ausgibt. Um also mit 40 oder 45 in Rente zu gehen und vom Ersparten leben zu können, kommt es
- auf die Höhe des Einkommens,
- auf die Ausgaben und
- auf die Höhe der Sparquote an.
Realistisch kann ein Leben nach dem FIRE-Trend für Besserverdienende sein, vor allem für Paare ohne Kinder, bei denen beide Partner sehr gut verdienen. Unter dem Strich bleibt die Sache aber für alle hochriskant – vor allem für weniger gut Verdienende oder Familien mit Kindern, denn:
- Das Leben lässt sich nicht planen. Ein Unfall oder eine schwere Krankheit beispielsweise können zur Folge haben, dass teure Anschaffungen nötig werden, die im Finanzplan nicht vorgesehen waren. Etwa der Umbau der eigenen vier Wände in eine barrierefreie Wohnung.
- Ganz wichtig: Wer mit 40 oder 45 aufhört zu arbeiten, baut ab diesem Zeitpunkt auch keine Altersvorsorge auf. „Das vorhandene Vermögen muss also nicht nur bis zum Rentenbeginn, sondern letztendlich bis zum eigenen Tod reichen“, sagt Klaus Morgenstern vom Deutschen Institut für Altersvorsorge. Doch wird man 80, 90 oder 100 Jahre alt? Niemand weiß das. Da stellt sich die Frage, ob am Ende noch genug Geld zum Leben da ist. „Das Risiko von Altersarmut ist also extrem hoch“, stellt Morgenstern klar.
Podcast: Was man von Frugalisten lernen kann
Frugalisten sagen: Wer bewusst mit seinem Geld umgeht, auf überflüssige Ausgaben verzichtet und klug investiert, kann früher als andere finanziell unabhängig sein. Nur: Wie sieht so ein frugales Leben aus? Muss man gleich auf alles verzichten, was nicht unbedingt sein muss? Oder reicht eine kluge Geldanlage schon aus? Und: Was können auch Nicht-Frugalisten von dieser Lebenseinstellung lernen? Darüber sprechen Redakteure der FAZ im Podcast mit Florian Wagner, einem der bekanntesten Frugalisten Deutschlands.