Flexible Pay – früher ran ans Gehalt

Was hinter dem Auszahlungsmodell steckt

Arbeit-Recht 4 min Lesedauer 08.10.2024
Abacus Beads

Viele Menschen kennen das Problem: Die nächste Gehaltszahlung ist noch nicht fällig, doch es stehen Ausgaben an, die einen in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Das zeigt auch eine Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die im Dezember 2023 veröffentlicht wurde. Darin gaben 14 Prozent der Befragten an, dass ihr Einkommen in den zwölf vorherigen Monaten nicht immer gereicht hatte, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken; 15 Prozent brauchen demnach finanzielle Unterstützung, um ungeplante größere Ausgaben zu zahlen.

Hier setzen flexible Gehaltslösungen an, die Unternehmen bereits in etlichen Ländern nutzen und die nun auch hierzulande verstärkt Einzug halten.

Was Flexible Pay bedeutet

Wörtlich übersetzt bedeutet Flexible Pay so viel wie „flexible Zahlung“. Das heißt, dass Mitarbeitende entscheiden können, ob sie einen Teil ihres Gehalts vorzeitig erhalten wollen.

Grundsätzlich ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, zu welcher Zeit ein Gehalt fällig wird. Ist die Vergütung etwa monatsweise vereinbart, muss der Arbeitgebende das Entgelt zum Monatsende zahlen. Es ist also spätestens am ersten Tag des folgenden Monats fällig, umgangssprachlich dem „nächsten Ersten“ (§ 614 BGB).

Allerdings kann in einem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung auch ein früheres oder späteres Datum festgelegt sein. Üblicherweise sollten Arbeitgebende das Gehalt nicht später als bis zum 15. des Folgemonats auszahlen.

Eine flexible Zahlung bietet die Chance, schon vor dem offiziellen Zahltag über einen Teil des Gehalts zu verfügen.

Verschiedene Modelle auf dem Markt

Flexible Pay kann unterschiedlich ausgestaltet werden. Denkbar ist es etwa, dass Arbeitnehmende sich zu jeder Zeit im Monat das bis dahin verdiente Geld auszahlen lassen („Earned Wage Access“). Auch möglich: Sie erhalten in der Mitte des Monats die Hälfte des Gehalts und am Monatsende die andere Hälfte. Wer also zum Beispiel 3.800 Euro netto monatlich verdient, bekommt am 15. des laufenden Monats die bis dahin erarbeiteten 1.900 Euro und am Ende des Monats nochmals 1.900 Euro überwiesen.

In Deutschland bietet das Fintech Happy ein spezielles Modell: Wer bei einem der teilnehmenden Unternehmen beschäftigt ist, kann bis zu 33 Prozent seines Gehalts frühzeitig in Form von Gutscheinen nutzen. Über eine App erhalten Angestellte Zugang zu mehr als 50 Anbieterinnen und Anbieter von Produkten des täglichen Bedarfs. „Die derzeitige ökonomische Lage bringt viele Menschen in Deutschland an ihre finanziellen Grenzen. Arbeitgeber sind mehr denn je in ihrer sozialen Verantwortung gefragt“, erklärt Happy-Gründer Jan Riem.

Flexibler als ein Vorschuss

Bereits jetzt ist oftmals im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung geregelt, dass Arbeitnehmende die Zahlung eines Vorschusses beanspruchen können. Zudem kann ein Arbeitgebender im Rahmen seiner Fürsorgepflicht verpflichtet sein, seinen Angestellten finanziell unter die Arme zu greifen.

Doch Betroffenen ist es möglicherweise unangenehm, ihr Unternehmen um finanzielle Unterstützung zu bitten. Hinzu kommt, dass der bürokratische Aufwand oft hoch ist und es lange dauern kann, bis der Arbeitgebende einen Vorschuss genehmigt hat. Flexible-Pay dagegen

  • bietet von sich aus die Möglichkeit, einen Teil des Geldes zu bekommen, ohne darum bitten zu müssen;
  • ist ein direkter und schneller Weg, Geld zu erhalten;
  • erfolgt diskret;
  • zeichnet sich durch einen strukturierten Ablauf aus;
  • ermöglicht es, kurzfristig liquide zu sein und so Ausgaben tätigen zu können.

Das Angebot bietet auch Vorteile für die Unternehmen: In den USA und Großbritannien zeigen Studien, dass Flexible-Pay-Modelle

  • bei der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden helfen können;
  • dazu beitragen, dass Beschäftigte seltener erkranken. Denn durch den verringerten finanziellen Druck erleben diese weniger Stress und fehlen damit seltener krankheitsbedingt.

Verschuldungsfalle durch flexible Gehaltszahlung

Jedes noch so verlockende Modell hat natürlich auch seine Schattenseiten. „Flexible Pay“ bringt vor allem folgende Nachteile mit sich:

  • Erhöhte Ausgaben der Arbeitnehmenden: Der häufigere Zugriff auf das Gehalt kann Arbeitnehmende dazu verleiten, das Geld sofort wieder ausgeben, da sie die Notwendigkeit des konstanten Sparens weniger spüren. Das Risiko der Verschuldung kann damit steigen.
  • Größerer Verwaltungsaufwand für Arbeitgebende: Flexible Lohnstrukturen können die Verwaltung der Gehaltsabrechnung und Buchhaltung erschweren, insbesondere wenn Arbeitnehmende unterschiedliche Gehaltszeitpläne haben.

Deshalb sollten Arbeitnehmende und Arbeitgebende genau abwägen, ob eine Flexible-Pay-Lösung für sie in Frage kommt.

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