Darf meine Chefin oder mein Chef mein Gehalt verspätet oder verkürzt zahlen?
Arbeitnehmende haben Pflichten, Arbeitgebende aber auch. Darf die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber also das Gehalt verspätet oder verkürzt zahlen? Die Antwort darauf ist einerseits „Nein“ und andererseits „Es kommt drauf an“. Nein, die Chefin oder der Chef ist nicht berechtigt, das Gehalt verspätet zu überweisen. Und ob der Arbeitgebende Teile vom Lohn oder Gehalt einbehalten darf, hängt von bestimmten Faktoren ab. Doch der Reihe nach.
Wenn das Gehalt nicht pünktlich auf dem Konto ist
Entweder im Tarif- oder im Arbeitsvertrag ist nachzulesen, bis wann der Lohn oder das Gehalt auf dem Konto der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers eingegangen sein muss. Hat der Betrieb bis zu diesem Zeitpunkt – zum Beispiel bis zum dritten Tag eines Monats – nicht gezahlt, ist sie oder er automatisch im Verzug. Handelt es sich hierbei etwa nicht um einen bloßen Fehler oder Irrtum, der sich schnell und einvernehmlich auflöst, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer folgendes tun:
- Fordern Sie Ihren Betrieb schriftlich auf, Ihnen den ausstehenden Lohn zu überweisen und setzen Sie hierbei eine Frist.
- Reagiert Ihre Chefin oder Ihr Chef auf dieses Schreiben nicht, schicken Sie eine Abmahnung.
- Erfolgt daraufhin immer noch keine Gehaltszahlung, können Sie Klage vor dem Arbeitsgericht einreichen und Verzugszinsen geltend machen. Bei diesem Vorgehen sollten Sie sich juristisch beraten lassen – entweder von einer Fachanwältin oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht oder von einer Gewerkschaft. Wird der Arbeitgebende aufgrund Ihrer Klage vom Gericht vorgeladen und erscheint er nicht, droht ein Versäumnisurteil, mit dem das Konto gepfändet werden kann.
- Verschleppt ein Betrieb wiederholt Gehaltszahlungen oder zahlt kein Gehalt über einen längeren Zeitraum, haben Sie nach einer Abmahnung das Recht zur fristlosen Kündigung. Sie müssen dies schriftlich tun und können dann – ohne auf die üblichen Kündigungsfristen zu achten – einen Job bei einem neuen Unternehmen antreten.
Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber darf das Gehalt nicht ohne weiteres kürzen
Und was ist, wenn mein Gehalt geringer ausfällt als sonst? Ganz allgemein ist der Betrieb nicht berechtigt, das Grundgehalt zu kürzen – auch nicht, wenn die oder der Vorgesetzte mit Ihren Leistungen unzufrieden ist oder die Firma auf Sparkurs ist. Darauf weist Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gütersloh, hin. Insbesondere wenn das Gehalt im Arbeits- oder Tarifvertrag festgeschrieben ist, darf der Arbeitgebende es nicht einfach kürzen.
„Genauso wenig ist es erlaubt, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter auf eine schlechtere Position zu versetzen und damit das Gehalt zu verringern“, betont Schipp.
Wann die Chefin oder der Chef Teile des Gehalts einbehalten oder kürzen darf
Nach Angaben von Schipp kommt es immer darauf an, aus welchen Bestandteilen sich ein Gehalt zusammensetzt – manche Komponenten dürfen Arbeitgebende in der Tat kürzen. Arbeitnehmende haben jedoch auch Pflichten und kommen Sie diesen nicht nach, kann das ebenfalls zu einer Gehaltskürzung führen:
- Alles, was nicht zur regulären Vergütung gehört, kann der Betrieb unter Umständen kürzen. Behält sich dieser zum Beispiel vor, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob etwa Weihnachts- oder Urlaubsgeld gezahlt werden soll, kann er oder sie diese Leistungen kürzen oder ganz streichen.
- Eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer hat sich krankgemeldet. Über Wochen hinweg hat sie oder er versäumt, dem Betrieb die Krankmeldung beziehungsweise die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. In einem solchen Fall ist die Chefin oder der Chef berechtigt, Teile des Gehalts einzubehalten – bis die oder der Beschäftigte die Nachweise vorlegt.
- Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter weigert sich, aus welchen Gründen auch immer, wichtige Dokumente oder Hilfsmittel herauszugeben. Auch in einem solchen Fall darf der Betrieb einen Teil des Lohns oder des Gehalts seiner Mitarbeiterin oder seines Mitarbeiters einbehalten, bis die- oder derjenige die Sachen zurückgibt.
- Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter schuldet ihrem oder seinem Arbeitgebenden einen größeren Geldbetrag, den sie oder er auch auf mehrfache Nachfrage hin nicht herausrückt. Auch das kann in einer Gehaltskürzung münden.
- Eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer ist verschuldet, gegen sie oder ihn liegt ein Vollstreckungsbescheid vor. Gläubigerinnen und Gläubiger sind berechtigt, direkt beim Betrieb der Schuldnerin oder des Schuldners Geld einzutreiben. Arbeitgebende stehen hierbei aber in der Pflicht, die Pfändungsgrenze einzuhalten. Was bedeutet: Sie oder er kann nicht den gesamten Lohn oder das gesamte Gehalt den Gläubigerinnen oder Gläubigern geben.