Wie verändert Geld den Charakter?

Die Macht des Geldes

Familie 5 min Lesedauer 12.01.2024
Geld Charakter

Als Steve Jobs 2011 starb, hatte er rund acht Milliarden US-Dollar auf seinem Bankkonto. Dem Apple-Mitgründer wurde nachgesagt, er sei „in Treffen absolut brutal, arrogant, sarkastisch, gedankenreich, erfahren, paranoid und krankhaft charismatisch" gewesen. Ein brillanter Kopf und gleichzeitig ein schwieriger Mensch. Aber trifft die altbekannte Redewendung „Geld verdirbt den Charakter“ generell auf wohlhabende Menschen zu? Ganz so pauschal lässt sich das nicht sagen. Sicher ist aber: Geld kann die schlechten Seiten eines Menschen zum Vorschein bringen – und das hat Gründe.

Wie beeinflusst Geld den Charakter?

Wissenschaftler*innen haben herausgefunden, dass Geld den Menschen beeinflusst und negative Eigenschaften hervorrufen kann: So konnten US-amerikanische Forscher*innen in sieben Experimenten, die im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ vorgestellt wurden, feststellen, dass Menschen mit mehr Geld eher zum Lügen und Betrügen neigen.

Wahrscheinlich verhielten sich Angehörige höherer sozialer Schichten deshalb unmoralischer, weil Gier in diesem Teil der Gesellschaft in einem positiveren Licht gesehen werde, glauben die Psycholog*innen. Es gebe aber natürlich auch Ausnahmen, weshalb ihr Fazit lautete: „Soziale Klasse und unethisches Verhalten sind weder grundsätzlich noch notwendigerweise miteinander gekoppelt.“

Sicher ist jedoch: Die materiellen Bedingungen, unter denen Menschen aufwachsen und leben, haben einen prägenden Einfluss auf unser Wesen. Unser soziales Verhalten und die Feinfühligkeit gegenüber anderen hängt auch von den finanziellen Verhältnissen ab.

Das bestätigt auch eine Untersuchung des Psychologen Anthony Manstead von der Universität von Cardiff aus dem Jahr 2018 zur „Psychologie der sozialen Klasse“, die sich auf zwei Studien mit über 10.000 Probanden aus dem Vereinigten Königreich bezieht. Manstead stellte fest, dass die Teilnehmer*innen mit mehr Geld mehr Wert auf gesellschaftliche Hierarchien legen und weniger sensibel für Notlagen der Mitmenschen sind. Proband*innen unterer Schichten ist ihr gesellschaftlicher Status dagegen weniger wichtig. Sie sehen sich mehr als Teil der Gemeinschaft und sind hilfsbereiter.

Wie wir aufwachsen, bestimmt unser Verhältnis zum Geld

Zwei Faktoren sind maßgeblich am Einfluss von Geld auf unseren Charakter beteiligt:

  • die Wertigkeit, die wir Geld beimessen und
  • unser Selbstwert.

Die Wertigkeit, die wir Geld beimessen, lernen wir als Kinder von unseren Eltern. „Über den Umgang mit Geld wird Verantwortungsbewusstsein entwickelt, Geduld und Frustrationstoleranz geübt und Belohnung für Gelungenes gelernt“, bestätigt der Psychoanalytiker und Podcaster Jakob Müller vom Universitätsklinikum in Heidelberg.

Anhand von Geld und den daraus entstehenden Möglichkeiten, werden soziale Unterschiede sichtbar, die für Menschen wichtig sind, um die eigene Identität zu bestimmen, so Müller. „Vor allem kann Geld dann den Charakter prägen, wenn man mit dauerhaften sozialen Unterschieden konfrontiert ist; also etwa dauernd die Erfahrung macht, weniger zu haben – oder eben mehr zu haben“, erklärt der Psychoanalytiker. Das bedeute für die Psyche, sich mit bestimmten Affekten auseinandersetzen zu müssen, zum Beispiel mit Gefühlen wie Neid oder Ungerechtigkeit.

Die Finanzpsychologin Birgit Bruckner ergänzt: „Beurteilen wir uns selbst stark in Abhängigkeit vom Vermögensstand, beeinflusst dieser direkt unseren Selbstwert und damit auch unser Verhalten in anderen Situationen.“ Hinzu komme, inwieweit unser soziales Umfeld und die Herkunftsfamilie den Wert eines Menschen mit dessen finanziellem Status verbindet.

Die Macht des Geldes: Geiz und Gier

Wer viel Geld hat, aber wenig abgibt, gilt als geizig. Wer viel Geld hat und noch mehr will, als gieriger Mensch. „Wenn man mehr Geld als andere hat, öffnet sich eine Tür zu einer Welt, die anderen verschlossen ist. Geld wird nicht nur aufgrund von Gier angehäuft, sondern kann selbst auch Gier wecken“, erklärt Jakob Müller. Denn: „Man kann ja nie genug haben, das Konto hat keine Grenze.“ Der Besitz von Geld könne zudem Ängste wecken: das Erworbene wieder zu verlieren, weshalb man aus diesem Grund versucht, noch mehr Geld zu erwerben, um sich vor Verlusten zu schützen und daher als geiziger und/oder gieriger Mensch wahrgenommen werde.

Geld formt nicht den Charakter, aber beeinflusst unser Leben

Ein direkter Zusammenhang zwischen Geld und Charakter ist bisher nicht eindeutig erforscht worden. Daher lässt sich nicht pauschal sagen: „Geld verdirbt den Charakter“ oder „Geld formt den Charakter“. „Vielmehr sind verschiedene Faktoren wie unsere soziokulturelle Erziehung, das Selbstbild und die Bewertung von Geld und Reichtum entscheidend. Geld an sich beeinflusst unser Leben, schafft Möglichkeiten und eröffnet uns die Freiheit, uns unseren Interessen zu widmen, sobald grundlegende Bedürfnisse gesichert sind“, erklärt Finanzpsychologin Bruckner.

Oft werden Redewendungen wie diese als emotionaler Ausgleich genutzt, so Bruckner, nach dem Motto: „Wenn ich schon nicht so reich bin, dann bin ich zumindest ein besserer Mensch.“ Der Haken: Damit verbinden wir Selbstwert mit Kontostand. Ein niedriger Kontostand führt zu einem geringen Selbstwert. Das Abwerten anderer mit einem hohen Kontostand wertet das eigene Selbst wieder auf. Bruckners Ratschlag lautet daher: „Entkommen Sie dieser Denkfalle. Geld formt nicht den Charakter, Denken hingegen schon.“

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