Geld und der Gewohnheitseffekt
Wenn Konsum zum Teufelskreis wird
Ob das neueste Smartphone oder ein schicker Sportwagen: Sich etwas leisten zu können, fühlt sich gut an. Doch schon nach kurzer Zeit verfliegt die neu gewonnene Zufriedenheit. „Die Forschung hat gezeigt, dass Glückszuwächse, die man durch Konsum erreicht, nur relativ kurz anhalten“, sagt Johannes Klement von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in einem Interview. Um das Glücksgefühl dauerhaft durch Konsumgüter zu steigern, müsse man laut Klement viel und regelmäßig konsumieren.
Mehr Gehalt – höhere Ausgaben
Besonders gut zu beobachten ist das Verlangen nach immer mehr Konsum bei steigendem Einkommen – auch bekannt als „Lifestyle-Inflation“. Dabei steigen mit einem höheren Gehalt gleichzeitig auch der Lebensstandard und die Ausgaben. Laut der laufenden Wirtschaftsrechnungen (LWR), die das Statistischen Bundesamt 2022 herausgebracht hat, lagen die privaten Konsumausgaben bei Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 1.250 und 2.500 Euro bei durchschnittlich 1.643 Euro. Haushalte mit mehr als 5.000 Euro Nettoeinkommen hingegen gaben 4.634 Euro pro Monat aus.
Wenn neue Bedürfnisse das Glück trüben
Claudia Behringer, Finanzcoach und Finanzberaterin in der Nähe von Bamberg, erklärt, was hinter dem Phänomen steckt: „Es geht um das Gefühl: Ich habe mir das aufgebaut, da kann ich jetzt auch mehr Geld ausgeben.“ Gleichzeitig verändern sich die Bedürfnisse: „Es kommen neue Prioritäten hinzu. Man legt viel mehr Wert auf Komfort oder Statussymbole.“ So ist es schnell passiert, dass man sich mit dem, was man bereits hat, nicht mehr zufriedengeben kann. Die Folge: Konsum wird zur Gewohnheit.
Probleme: Wenn Konsum zur Gewohnheit wird
Der Gewohnheitseffekt kann langfristig den Umgang mit Geld negativ beeinflussen – zum Beispiel beim Thema Altersvorsorge. „Je mehr man ausgibt, desto weniger bleibt übrig, um zu investieren“, sagt Behringer. Das mache sich vor allem im Alter bemerkbar. „Wenn ich vorher kein passives Einkommen aufgebaut habe, stecke ich darin fest, dass ich das Einkommen immer wieder erbringen muss.“ Außerdem warnt die Finanzberaterin vor dem emotionalen Druck, den ein gestiegener Lebensstandard mit sich bringt. „Wenn das Einkommen plötzlich sinkt, aufgrund von Krankheit oder wenn man entlassen wird, dann kann es brenzlig werden.“
Gewohnheitseffekt verhindern: So geht’s
Um gar nicht erst in den Teufelskreis zu geraten, gibt es hier vier Tipps:
- Bewusst und zielorientiert konsumieren: An erster Stelle steht laut Behringer der bewusste Konsum. „Man kann sich auch etwas gönnen, aber mit Sinn und Verstand und mit einer guten Planung.“ Ihr Tipp: Vor einer Kaufentscheidung noch einmal eine Nacht darüber zu schlafen. Am nächsten Tag sei es oft gar nicht mehr so wichtig. Außerdem helfe es, sich selbst finanzielle Ziele zu setzen. „Wer eine finanzielle Zukunft vor Augen hat, die langfristig motiviert, neigt weniger dazu, Geld aus dem Fenster zu werfen“, so die Finanzberaterin.
- Budgetplan erstellen: Die Expertin schlägt vor, den eigenen Konsum zu hinterfragen und ein Budget zu erstellen. Dabei komme es unter anderem auf diese Fragen an: Was ist mir wichtig? Wofür möchte ich mein Geld ausgeben? Wie hoch ist mein Einkommen und wie viel möchte ich davon investieren? Ihre Empfehlung: Die Sparrate bereits am Anfang des Monats festzulegen.
- Glück auch in anderen Dingen suchen: Entscheidend ist laut Behringer außerdem die Frage, wie zufrieden man wirklich ist. Denn wer seine eigene Unzufriedenheit mit erhöhtem Konsum ausgleichen will, läuft Gefahr, in einen Teufelskreis zu geraten. Stattdessen ist es ratsam, das eigene Glück nicht so sehr von Materiellem abhängig zu machen. Forscher Klement nennt andere Faktoren, die das Glücksempfinden steigern können: Sport, soziale Kontakte zu Freunden oder der Familie, ein sinnstiftender Arbeitsplatz, ehrenamtliches Engagement oder ein Hobby. „Es ist möglich, weniger zu konsumieren, und dafür mehr Zeit zu haben, um sich selbst zu verwirklichen“, sagt er.
- Einstellung zum Geld hinterfragen: Viele Menschen sehen Geld nur als Mittel zum Zweck, stellt Behringer fest. Dabei ist es wichtig, sich darüber klarzuwerden, was Geld für einen persönlich bedeutet und welche Rolle es im eigenen Leben spielt. Ein übermäßiger Materialismus kann dazu führen, dass man den Blick auf die wirklich wichtigen Dinge verliert. „Der Fokus auf das Wesentliche führt zum glücklicheren Leben“, ist sich Behringer sicher.