Gierflation bei Lebensmitteln
So bleibt der Einkauf trotzdem bezahlbar
Nicht wenige Verbraucher*innen reiben sich bei den weiterhin steigenden Lebensmittelpreisen verwundert die Augen und blicken sorgenvoll in ihren Geldbeutel: Seit über einem Jahr werden viele Nahrungsmittel stetig teurer – obwohl die Inflation insgesamt wieder sinkt. So zeigen die Berechnungen des Deutschen Statistischen Bundesamts (Destatis) für den April 2023:
- Die Inflationsrate im April (VPI) lag bei 7,2 Prozent – die Verbraucherpreise waren im April 2022 also im Schnitt um 7,2 Prozent günstiger.
- Deutlich höher war die Inflationsrate für Nahrungsmittel: Die Preise erhöhten sich im April 2023 um 17,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
- Die Lebensmittelpreise sind sogar deutlich stärker gestiegen als die Energiepreise, deren Inflationsrate im April nur noch bei 6,8 Prozent lag.
- Besonders große Preiserhöhungen gibt es laut Desatis vor allem bei Molkereiprodukten (+34,8 Prozent), Brot und Getreideerzeugnissen (+21,3 Prozent), Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchten (+19,7 Prozent) sowie Zucker, Marmelade, Honig und anderen Süßwaren (+19,6 Prozent).
„Die Nahrungsmittel bleiben auch im April der stärkste Preistreiber unter den Waren und Dienstleistungen im Warenkorb“, sagt Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes. Die Verbraucherzentrale (VZBV) setzt den Berechnungen sogar noch eines obendrauf: Während die Daten des Statistischen Bundesamtes nur die Verteuerung gegenüber April 2022 berücksichtigen, haben demnach die Preissteigerungen bereits im Sommer 2021 eingesetzt. Würden die Preise von Mitte 2021 als Grundlage genommen, ergeben sich im direkten Jahresvergleich laut Verbraucherzentrale unter anderem folgende Verteuerungen:
- Weizenmehl um +70 Prozent (statt +40 Prozent)
- Nudeln um +48 Prozent (statt +17 Prozent)
- Quark um +77 Prozent (statt +62 Prozent)
- Sonnenblumen- und Rapsöl sogar um +73 Prozent (statt +28 Prozent)
Kritik an „Gierflation“ der Konzerne
Zur dieser Diskrepanz – dass die Nahrungsmittelpreise deutlich stärker steigen als der Rest der Preise – macht inzwischen ein Wort die Runde: „Gierflation“. Dabei wird den Herstellern von Nahrungsmitteln vorgeworfen, ihre Produkte über die Maßen teuer zu vertreiben und damit die Inflation anzuheizen. Deutliche Worte zu der Entwicklung hat Ende April Andy Jobst, Inflationsexperte und Leiter Makro- und Kapitalmarktresearch beim Kreditversicherer Allianz Trade, gefunden: „Mehr als ein Drittel des jüngsten Anstiegs der Lebensmittelpreise hierzulande können nicht mit den traditionellen Risikotreibern erklärt werden.“ Schon seit dem zweiten Halbjahr 2022 wächst laut einer Studie von Allianz Trade der Umsatz stärker als der Kostenindex. Das deute darauf hin, dass die Unternehmen des Lebensmittelsektors Preise erhöht haben, um entgangene Gewinnspannen auszugleichen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie wehrt sich gegen die Abzock-Vorwürfe und betont, dass die energieintensive Ernährungsindustrie besonders hart von den steigenden Energiepreisen betroffen war. Einschränkungen in der Produktion hätten zu Kollateralschäden in den Unternehmen geführt. Außerdem, so betont die Vereinigung, stünden die Hersteller viel zu stark in Konkurrenz, als dass sie über einen langen Zeitraum unverhältnismäßige und ungerechtfertigte hohe Profite generieren könnten.
Die Verbraucherzentrale hingegen bleibt skeptisch: „Manche Preissteigerungen bei Lebensmitteln sind weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar“, heißt es. Politik und das Kartellamt sollten prüfen, ob die Unternehmen die Lage nutzen würden, um ihre eigenen Erträge zu verbessern.
So bleibt der Einkauf erschwinglich
Verbraucher*innen bringen diese Diskussionen aktuell reichlich wenig. Fakt bleibt: Der Lebensmitteleinkauf ist spürbar teurer geworden. Mit diesen Tipps wird die Einkaufsrechnung nicht ganz so hoch:
- Preise ganz genau anschauen: Nicht der großgedruckte Preis ist entscheidend, sondern der kleine, der die Kosten auf Kilo oder Liter umrechnet. Nur er biete echte Vergleichsmöglichkeiten, so die Verbraucherzentrale Hamburg.
- Regional und saisonal einkaufen: Früchte und Gemüse der Saison sind tendenziell günstiger als importierte Lebensmittel, die womöglich noch aufwendig gekühlt werden müssen. Auch Wochenmärkte können sich lohnen.
- Zu Eigenmarken greifen: Viele Supermärkte und Discounter bieten in Eigenmarken-Produkte an, die günstiger sind als Markenware.
- Großeinkauf statt klein und oft: Wer einmal die Woche einen Großeinkauf macht und nur Frischware nach Bedarf besorgt, der spart Zeit, gegebenenfalls Sprit und Geld, da so weniger unnötige Spontankäufe getätigt werden.
- Kurz vor Ladenschluss kommen: Wer gegen Ende der Öffnungszeiten kommt, hat erstens nicht so viel Zeit, um sich zu unnötigen Käufen hinreißen zu lassen und kann zweitens manchmal auch reduzierte, verderbliche Ware – etwa Backwaren – ergattern. Auch Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum kurz vom Ablaufen ist, sind oft günstiger.
- Werbeangeboten widerstehen: Kund*innen, die auf der Suche nach vermeintlichen Schnäppchen extra mehrere Länden anfahren, sparen selten: Der Zeitaufwand ist höher, es kommen womöglich Fahrkosten dazu und die Gefahr wird größer, an sich unnötige Dinge zu kaufen, nur weil sie reduziert sind.
- Mit Listen einkaufen: Wer Essenspläne aufstellt und streng nach Liste einkauft, der spart sich unnötige und nicht selten teure Spontankäufe.
- Selbst kochen: „Selbst zubereitete Mahlzeiten sind meist günstiger als Fertiggerichte, Lieferdienste oder To-go-Käufe“, rät die Verbraucherzentrale. „Wer sich eine Brotzeit schmiert und den Kaffee im eigenen Thermobecher mitnimmt, kann damit Geld und Verpackungsmüll sparen.“
- Pflanzlich statt tierisch: Da vor allem die Preise für Fleisch stark angezogen haben, lohnt es sich, öfter mal zu pflanzlichen Lebensmitteln zu greifen.
- Richtige Lagerung und Reste verbrauchen: Wer Lebensmittel richtig lagert und Reste konsequent verwertet spart nicht nur Lebensmittelabfälle sondern auch Geld, rät die Verbraucherzentrale.