Hauskauf ohne Eigenkapital
Was bei einer 100-Prozent-Finanzierung zu beachten ist
Ohne Eigenkapital eine Immobilie zu finanzieren, mag gerade für junge Haussuchende eine verlockende Idee sein. Wir zeigen mögliche Stolpersteine.
Wenig Eigenkapital, höhere Zinsen
Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer sowie Banken sind sich zumindest in einem Punkt einig: Eine Immobilienfinanzierung mit Eigenkapital ist besser als eine ohne. Der Grund? Ohne die meist geforderten 20% an eigenen Mitteln verteuert sich ein Darlehen. „Je weniger Eigenkapital vorhanden ist, desto höher ist in der Regel der Zinssatz“, sagt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren.
Dazu ein Rechenbeispiel von Verbraucherschützenden: Ein Paar kauft eine Immobilie zum Preis von 300.000 Euro. Die Laufzeit für den Kredit soll 15 Jahre betragen, die Tilgung 3%. Wird die Immobilie zu 90% finanziert (Kreditsumme 270.000 Euro), werden dafür 3,49% Zinsen fällig. Bei einer 100-Prozent-Finanzierung (Kreditsumme 300.000 Euro) springt der Zinssatz auf 3,63%. Für die zusätzlichen 30.000 Euro Kreditbedarf erhöht sich die Zinsbelastung über die Laufzeit somit um rund 15.000 Euro.
Ohne Finanzpolster dennoch eine Immobilie finanzieren
Für einige Kaufinteressierte ist das Thema Eigenkapital allerdings ein Problem. „Gerade junge Leute haben in der Regel noch keinen nennenswerten Betrag für eine Immobilie angespart“, sagt Tarkan Atik von der Dr. Klein-Baufinanzierung, einem bundesweit tätigen Finanzdienstleister. „Trotzdem möchten sie ihren Wunsch vom eigenen Haus oder der Eigentumswohnung nicht auf die lange Bank schieben.“
Einige Geldhäuser bieten auch eine 100-Prozent-Finanzierung an – die aber nicht für alle geeignet ist. Junge Menschen sollten sich gut überlegen, ob sie sich auf Jahre mit hohen Zahlungen für Zinsen und Tilgung belasten können. „Für Leute, die ein hohes Einkommen, aber kein Eigenkapital haben, kann das ein Weg sein“, sagt Dirk Eilinghoff vom Portal Finanztip.
Anschlussfinanzierung wird schwieriger
Auch Atik von der Dr. Klein-Baufinanzierung sieht die Nachteile einer 100-Prozent-Finanzierung: „Die Bank preist das Risiko mit ein, im Fall einer Zwangsverwertung nicht mehr den gesamten Betrag zurück zu bekommen. So wird die Finanzierung in jedem Fall teurer und sie dauert meistens auch länger.“ Denn aufgrund der höheren Raten kann meist nicht so viel getilgt werden, wie bei einer Finanzierung mit Eigenkapital. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Anschlussfinanzierung: Nach Ablauf der Zinsbindung ist der dann noch abzutragende Kreditberg deutlich höher.
So sieht eine gelungene 100-Prozent-Finanzierung aus
Eine Beispielrechnung macht deutlich, wie ein zu 100% finanzierter Hauskauf ablaufen könnte: Ein junges Paar, beide Ende 20, verfügt über ein gutes Einkommen und erwartet Gehaltssteigerungen. Das Haus, das die beiden kaufen wollen, kostet 350.000 Euro. Das vorhandene Eigenkapital beträgt etwa 36.000 Euro – gerade einmal 10%. Um eine Sicherheit zurückzulegen, beschließt das Paar, nur die Kaufnebenkosten wie Grunderwerbssteuer sowie Notarkosten selbst zu bezahlen und den gesamten Kaufpreis zu finanzieren. Hierfür zahlen sie monatlich 1.900 Euro. Damit tilgen sie zugleich so viel, dass das Haus nach 22 Jahren abbezahlt ist.
Eine lange Zinsbindung ist nicht mehr unbedingt ratsam
Als Faustregel gilt: Sind die Zinsen niedrig, es kündigt sich aber eine Erhöhung an, sind lange Zinsbindungen zu empfehlen. Ist der Fall andersherum, bindet man sich besser nicht zu lang und hat die Chance, zu besseren Konditionen später eine Anschlussfinanzierung abzuschließen.
Steht zum Beispiel eine Erbschaft an oder wird eine Versicherung fällig, sollte man mit der Bank Sondertilgungen vereinbaren. So ist man schneller mit der Abzahlung des Kredits fertig. Eine Baufinanzierung ist aber immer ein Einzelfall. „Wenn kein Eigenkapital eingebracht wird, sind die individuellen Rechnungen und Anpassungen wirklich entscheidend“, betont Atik. „Hier ist der Grat zwischen machbar und empfehlenswert besonders schmal.“
Um abzuschätzen, ob eine Käuferin oder ein Käufer auch langfristig die finanziellen Belastungen eines Haus- oder Wohnungskauf tragen kann, sollte sie oder er sich entsprechend beraten lassen.
Verbraucherschützende empfehlen, sich vom Bankberaterin oder Bankberater ausrechnen zulassen, wie hoch die Belastung nach Ablauf der Zinsbindung ausfällt, gemessen an gestiegenen Zinsen um beispielsweise ein bis zwei Prozent. Ist die Rate im Anschluss zu hoch, sollte die Zinsbindung länger sein.
Fazit: 100-Prozent-Finanzierung – ja oder nein?
Letztlich ist es immer eine Einzelfallentscheidung. Aber eines ist in jedem Fall klar: „Wer in ständiger Sorge lebt, dass unvorhergesehene Reparaturen oder Anschaffungen anfallen oder er sich während der Laufzeit keine angenehmen Dinge wie einen Urlaub leisten kann, der sollte von dem Vorhaben Abstand nehmen“, sagt Atik von der Dr. Klein-Baufinanzierung.