Finanzwissen – die Jugendstudie
Hohes Interesse, geringe Kenntnisse
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 80 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland sind der Ansicht, während ihrer Schulzeit kaum etwas über Wirtschaft und Finanzen gelernt zu haben. Das ist eines der Ergebnisse der neuen Jugendstudie des Bankenverbandes (BdB).
Alle drei Jahre schaut sich der BdB die Wirtschafts- und Finanzbildung junger Leute genauer an. Im August und September 2024 befragte das von ihm beauftragte Marktforschungsunternehmen Kantar 700 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren.
Dabei teilt sich diese Gruppe in zwei gleich große Hälften: 40 Prozent berichten von „wenig“ Lerninhalten, weitere 40 Prozent haben nach eigenen Angaben „so gut wie nichts“ über Wirtschaft und Finanzen während ihrer Schulzeit gelernt. „Dies ist ein erschreckender Befund, wenn man bedenkt, dass entsprechendes Wissen für die persönliche Zukunft der jungen Menschen entscheidend sein kann“, sagt der Direktor für Digitale Inhalte und Kanäle beim Bankenverband, Christian Jung. „Denn Finanzkompetenz ist nicht nur wichtig, um das eigene Budget zu verwalten, sondern auch, um wirtschaftliche Zusammenhänge wie Inflation, Investitionen und Altersvorsorge zu verstehen.“ Gleichwohl würden diese Themen an den meisten Schulen nach wie vor nicht oder allenfalls rudimentär behandelt, kritisiert er.
Wunsch nach mehr Finanzbildung in der Schule
Die junge Generation erkennt diese Defizite und wünscht sich mehr Unterstützung beim Aufbau von Finanzwissen:
- 92 Prozent sprechen sich für mehr Finanzthemen im Schulunterricht aus.
- 86 Prozent befürworten die Einführung eines eigenen Schulfaches.
„Ein solches Schulfach könnte die Grundlagen der persönlichen Finanzplanung wie Budgetierung und Sparen vermitteln, aber auch den Umgang mit komplexeren Themen wie Investitionen und Altersvorsorge abdecken“, sagt auch Christian Jung.
Die Verantwortung für die Vermittlung von Finanzwissen sehen die befragten jungen Leute folgerichtig auch hauptsächlich bei den Schulen:
- 50 Prozent nennen Schulen als wichtigsten Ort für Finanzbildung.
- 76 Prozent wünschen sich auch außerhalb der Schule mehr Möglichkeiten zur Finanzbildung.
- Lediglich 13 Prozent sehen Banken und Finanzberaterinnen und -berater als wichtige Quellen an.
Grundlegendes Finanzwissen: Besorgniserregende Wissenslücken
In der Finanzwelt zeigen sich die Auswirkungen der Bildungslücken in puncto Wirtschaft und Finanzen besonders deutlich. Zwar hat die Phase der hohen Inflation dazu beigetragen, dass mittlerweile 74 Prozent der Befragten den Begriff „Inflationsrate“ kennen – ein deutlicher Anstieg gegenüber der vorhergehenden Erhebung im Jahr 2021, als nur 56 Prozent mit dem Terminus etwas anfangen konnten. Gleichwohl können lediglich 18 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen die aktuelle Inflationsrate annähernd beziffern.
Dabei, so betont es der Bankenverband, hat die Unkenntnis über Ausmaß und Wirkung der Geldentwertung enorme Auswirkungen auf fast alle Spar- und Anlageentscheidungen, einschließlich der Altersvorsorge. Auch beachtlich: 28 Prozent der Befragten können nicht sagen, was eine Aktie ist.
Besonders eklatant ist das mangelnde Wissen über zentrale Finanzinstitutionen: Lediglich 35 Prozent der Befragten wissen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) für die Preisstabilität im Euroraum verantwortlich ist. Selbst bei den älteren Befragten zwischen 21 und 24 Jahren kennt mehr als die Hälfte diese wichtige Aufgabe der EZB nicht.
„Für das Vertrauen in die Währungs- und Finanzpolitik, und damit in die Stabilität der Währung, die maßgeblich den Umgang mit Geld und das Investitionsverhalten der Menschen beeinflusst, sind das keine guten Voraussetzungen“, zeigt sich Studienautor Jung alarmiert.
Geschlechterspezifische Unterschiede beim Finanzwissen
Die Studie deckt darüber hinaus deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Während das Finanzwissen generell verbesserungswürdig ist, zeigen sich bei jungen Frauen besonders große Wissenslücken:
- Nur ein Viertel der weiblichen Befragten kennt die geldpolitische Verantwortung der EZB.
- 40 Prozent der jungen Frauen wissen nicht, was eine Aktie ist.
Auch hier bietet die Schule aus Sicht des Bankenverbandes den besten Rahmen für eine gezielte Vermittlung, um Mädchen und junge Frauen in finanziellen Themen fit zu machen.
Steigendes Interesse an Finanzfragen und Geldanlagen
Doch es gehen nicht nur bedenkliche, sondern auch erfreuliche Erkenntnisse aus der Jugendstudie hervor. Denn die befragte Altersgruppe zwischen 14 und 24 Jahren zeigt trotz mangelnder Themenberührung in der Schule ein grundsätzlich hohes Interesse an Finanzfragen. Drei von vier Teilnehmenden halten die Auseinandersetzung mit Geldfragen demnach für wichtig oder sehr wichtig. Auch der Umgang mit Geld gestaltet sich überwiegend positiv: 56 Prozent der Befragten gibt an, dass von den ihnen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln „oft etwas übrig bleibt“ und 30 Prozent schaffen es zumindest, mit ihrem Geld auszukommen.
Bemerkenswert ist das zudem hohe Selbstvertrauen – 85 Prozent der Befragten schätzen ihre Geldverwaltung als gut oder sehr gut ein. „Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass junge Menschen in Deutschland zunehmend ein Bewusstsein für ihre finanzielle Unabhängigkeit entwickeln und mit ihren Finanzen meist verantwortungsvoll umgehen“, freut sich Christian Jung vom Bankenverband. „Das wachsende Interesse an Wertpapieranlagen und die Nutzung digitaler Finanzinformationen sind Zeichen einer Generation, die sich aktiv mit ihrer finanziellen Zukunft auseinandersetzt.“