Die Kosten von Armut
Wo Geringverdienende draufzahlen müssen
Es mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, doch wer nur wenig Geld zur Verfügung hat, lebt häufig teurer. Denn Armut ist mehr als das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel: Menschen mit niedrigem Einkommen stehen im Alltag häufig vor Herausforderungen, die ihnen höhere unmittelbare Folgekosten verursachen als Menschen mit höherem Einkommen – und das Treffen langfristig kluger finanzieller Entscheidungen erschweren.
„Wer billig kauft, kauft zwei Mal“
„Grundsätzlich kann man sagen, dass Menschen, die von Armut betroffen sind, für die gleichen Produkte und Dienstleistungen mehr bezahlen als Menschen mit mehr Geld“, sagt Michael Stiefel, Leiter des Projekts „Beteiligung von Menschen mit Armutserfahrung“ der Diakonie Deutschland. „Wer nur wenig Geld zur Verfügung hat, bekommt am Markt häufig noch die schlechteren Konditionen.“
Geht es beispielsweise um Dinge des täglichen Bedarfs wie Schuhe, Kleidung, Elektrogeräte oder Kinderartikel, können sich Menschen mit wenig Geld häufig keine Qualitätsartikel leisten, sondern müssen auf generische Produkte zurückgreifen. Langfristig ist es Stiefel zufolge jedoch wesentlich günstiger, anfangs einen größeren Betrag in ein qualitativ hochwertigeres und damit länger haltbares Produkt zu investieren, anstatt billigere, aber minderwertige Dinge in deutlich kürzeren Abständen ersetzen zu müssen.
Das erfordert jedoch eine äußerst starke Ausgabendisziplin, sagt Diakonie-Experte Stiefel: „Man muss sich willentlich darauf konzentrieren, was man sich als nächstes anschaffen möchte – und trotzdem ist meist nur eine Anschaffung nach der anderen möglich. Man braucht großes Durchhaltevermögen.“
Zusätzliche indirekte Kosten
Wer wenig verdient, kann außerdem häufig keine Rücklagen ansparen oder Geld für unvorhergesehene Ausgaben beiseitelegen, sagt Charlotte Bischoff von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. (BAG-SB): „Ratenzahlungsangebote oder Kredite sind dann für viele Menschen die einzige Möglichkeit, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.“
Wer jedoch eine Anschaffung auf Raten finanziert, zahlt dafür unter dem Strich einen höheren Preis. Wer kein grundsätzliches Wissen über Finanzmanagement hat, ist Bischoff zufolge außerdem anfälliger für riskante Verträge.
Menschen, die bereits verschuldet sind, stehen darüber hinaus häufig vor dem Problem, dass sie auf einem Pfändungsschutzkonto nur über einen sehr kurzen Zeitraum Geld ansparen können. Trotz der Bezeichnung kann auch hier das Guthaben gepfändet werden, wenn es nicht innerhalb von drei Monaten aufgebraucht wird. Es droht eine Abwärtsspirale, sagt Schuldnerberaterin Bischoff: „Diese Situation kann, besonders bei Jobverlust oder unerwarteten Kosten, die Situation massiv erschweren.“
„Fossiler Lock-In“ durch Armut
Ein Bereich, in dem auf Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln in den kommenden Jahren möglicherweise zusätzliche Benachteiligungen zukommen, ist aus Sicht von Diakonie-Experte Stiefel die Energiepolitik. Denn im Hinblick auf die unter anderem im Zusammenhang mit der staatlichen CO2-Bepreisung immer weiter steigenden Energiekosten haben armutsbetroffene Menschen kaum Handlungsspielräume. „Sie können sich keine klimafreundlichen Technologien und Produkte leisten und deshalb beispielsweise ineffiziente Elektrogeräte nicht ersetzen“, führt Stiefel aus.
Allerdings leiden einkommensschwache Menschen bereits heute überproportional unter hohen Energiekosten – und können sich gleichzeitig häufig keine modernen Wohn- mit zeitgemäßen Energieeffizienzstandards leisten. Eine soziale Ungerechtigkeit, die Stiefel zufolge überdies noch in einem „fossilen Lock-In“ münden kann: „Während Menschen mit mittleren und hohen Einkommen in klimafreundliche Technologien investieren können, verbleiben alle anderen in der fossilen Abhängigkeit.“ Sie leiden nicht nur unter hohen Heizkosten, sondern laufen Gefahr einen höheren CO2-Ausstoß zu haben als Menschen, die ihn mit einer Solaranlage auf dem Dach oder einem Balkonkraftwerk kompensieren können.
Schulden vermeiden, Ausgaben reduzieren
Wer keine Möglichkeit hat, teure Investitionen zu tätigen oder regelmäßig neue Produkte zu kaufen, ist darauf angewiesen, ihre oder seine begrenzten Mittel möglichst effizient zu nutzen – etwa, indem sie oder er auf das zurückgreift, was bereits vorhanden ist, oder durch sorgfältige Vorausplanung:
- Statt neuer Produkte kann man beispielsweise auf gebrauchte oder generalüberholte Waren zurückgreifen – sei es über Online-Kleinanzeigen-Portale oder Anbieter von sogenannten Refurbished-Produkten. Dies fördert gleichzeitig ein nachhaltiges Wirtschaften.
- Wer sich Gegenstände von Freunden und Familie ausleiht, anstatt sie zu kaufen, oder Reparaturen nutzt, um Gegenstände und Geräte möglichst lange zu erhalten, kann mehr sparen.
- Eine durchdachte Haushaltsplanung kann dabei helfen, unnötige Ausgaben zu vermeiden. Schuldenberatungsstellen können hierbei unterstützen.
- Verbraucherzentralen und Wohlfahrtsverbände bieten Energiekostenchecks an, um die Haushaltskosten weiter zu reduzieren.
Dennoch ist es für von Armut gefährdete oder betroffene Menschen meist sehr schwierig, sich aus eigener Kraft aus ihren wirtschaftlichen Lebensbedingungen zu befreien, sagt Charlotte Bischoff von der BAG-SB. Selbst die langfristige Senkung der Ausgaben reiche in vielen Fällen nicht aus: „Auch bei sorgfältiger Haushaltsführung decken die Einnahmen vieler Menschen oft nur das Nötigste, wodurch Rücklagen kaum möglich sind“.