Streit ums Erbe vermeiden

Nicht nur ein letzter Wille: Wenn gleich mehrere Testamente existieren

Familie 5 min Lesedauer 31.03.2023
Mehrere Testamente

Viele tun es, andere schieben es immer wieder vor sich her und haben letztendlich keins: ein Testament. Mitunter kommt es aber auch vor, dass Hinterbliebene auf gleich mehrere Testamente stoßen.

Vorbildlich hat der oder die Verstorbene zu Lebzeiten daran gedacht, den Nachlass zu regeln. Allerdings liegt nicht nur ein Testament vor, sondern mehrere. Das kann zu Problemen führen – muss es aber nicht. „Grundsätzlich ist es machbar, dass jemand mehrere Testamente aufsetzt, die, falls sie formwirksam sind, dann nebeneinander existieren“, sagt Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht in München. Formwirksam bedeutet: Der oder die Erblassende hat seinen oder ihren letzten Willen eigenhändig verfasst und das Ganze unterschrieben.

Beispiel: Eine Mutter verfügt in einem Testament, dass ihr erstgeborener Sohn Alleinerbe ist. Später verfasst sie ein weiteres Testament und ordnet ein Vermächtnis zugunsten ihres zweiten Sohnes an, der im Fall ihres Todes ihre wertvollen Kunstgemälde bekommen soll. „Beide Testamente gelten“, so Grötsch, der Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht ist.

Wenn mehrere Testamente gleichen Inhalts vorliegen

Daneben gibt es Erblassende, die auf Nummer sicher gehen wollen: Sie verfassen mehrere Testamente gleichen Inhalts und hinterlegen sie an unterschiedlichen Orten. Ihre Überlegung: Auf eine dieser Urkunden stoßen die Hinterbliebenen in jedem Fall.

Das zuletzt datierte Testament gilt

Wichtig zu wissen: Ein notariell beurkundetes Testament hat kein stärkeres Gewicht als ein handgeschriebenes. Entscheidend ist vielmehr das Datum, an dem es abgefasst wurde. „Existieren mehrere formwirksame Testamente, dann gilt grundsätzlich die zuletzt datierte Urkunde“, erläutert Grötsch.

Wenn undatierte Testamente sich widersprechen

Finden Hinterbliebene mehrere Testamente, die sich inhaltlich widersprechen und kein Datum tragen, muss zumeist ein Gericht darüber befinden. Dieses hat mehrere Möglichkeiten zu prüfen, welche Urkunde die jüngste und damit die rechtsgültige ist:

  • Das Gericht befragt Zeug*innen und erkundigt sich, was der letzte Wille der verstorbenen Person war.
  • Das Gericht prüft mögliche Adressen-Unterschiede. Beispiel: Eine Frau mit Wohnsitz in Rosenheim verfasst ein Testament, in dem zwar ihre Anschrift, aber kein Datum vermerkt ist. Ein paar Jahre später zieht sie nach Wiesbaden und setzt ein weiteres Testament mit gegensätzlichem Inhalt auf. Wiesbaden war die letzte Wohnanschrift vor ihrem Tod - rechtsgültig ist demnach das Wiesbadener Testament.
  • Ebenfalls denkbar: „Der Richter lässt das verwendete Papier von Gutachtern daraufhin überprüfen, wann es jeweils im Umlauf war“, erklärt Eberhard Rott, Fachanwalt für Erbrecht in Bonn. So kann das Gericht das Jahr ausmachen, in dem das Testament abgefasst wurde.
  • Oft kommt es vor, dass die Testamente mit Tinte verfasst oder unterschrieben waren. Das Gericht kann Gutachter*innen beauftragen, die Tinte in einem chemischen Verfahren zu analysieren. So lässt sich herausfinden, in welchem Jahr die Tinte im Handel war.

Mitunter gibt es auch ein datiertes und ein undatiertes Testament. Auch in einem solchen Fall kann das Gericht – wie oben beschrieben – ausloten, welche Urkunde die jüngere und damit rechtsgültige ist.

Einen Auslegungsvergleich mit Mediator*in anstreben

Hinterbliebene müssen aber nicht gleich vor Gericht ziehen: Bei undatierten und sich widersprechenden Testamenten bietet es sich an, einen Kanzlei für Erbrecht oder eine*n Mediator*in einzuschalten. Alle setzen sich an einen Tisch und machen einen sogenannten Auslegungsvergleich. Das bedeutet: Die Hinterbliebenen legen mit Hilfe von Expert*innen unter sich fest, wer nun was erbt. Gelingt das nicht, ist es Sache des Gerichts, das Testament auszulegen. „Eine der schwierigsten Aufgaben eines Richters“, sagt Grötsch. Denn wenn man die verstorbene Person nicht kannte – und das ist in aller Regel der Fall – weiß man auch nicht, wie diese entschieden hätte.

Wie Erblassende Streit nach ihrem Tod vermeiden können

Damit es nach ihrem Tod unter den Hinterbliebenen einigermaßen friedlich zugeht, können Erblassende einiges tun. „Das A & O ist, sich im Testament klar und unmissverständlich auszudrücken“, sagt Rott, der Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögensvorsorge ist. Wer dabei auf fachkundige Hilfe setzt, ist auf der sichereren Seite. Ein paar Tipps:

  • Erwähnen Sie im zeitlich späteren Testament, was mit früheren letztwilligen Verfügungen geschehen soll. Das spätere Exemplar kann das vorherige ergänzen oder ersetzen.
  • Möchten Sie Ihr erstes Testament durch ein neues ersetzen, leiten Sie das neue mit einem klärenden Satz ein. Etwa so: „Hiermit hebe ich alle bisher von mir verfassten Testamente in vollem Umfang auf.“ Aber Vorsicht: Möglich ist das nur, wenn Erblassende nicht an ein gemeinschaftliches Testament oder an einen Erbvertrag gebunden sind.
  • Vernichten Sie ein bereits existierendes Testament, falls Sie ein neues abfassen. Ist es in der Obhut eines Nachlassgerichts, holen Sie es zurück. Gemeinschaftliche Testamente werden nur an beide Ehegatten gemeinsam herausgegeben. Schreddern Sie das alte Testament und lassen Sie das neue am besten beim Nachlassgericht aufbewahren.
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