Mieten oder Kaufen? Der endgültige Rechner

Von Paul Blickle, Jan Guldner, Nathanael Häfner, David Schach und Julius Tröger, veröffentlich von ZEIT ONLINE.

ZEIT ONLINE 12 min Lesedauer 02.10.2024
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Der Kauf einer Wohnung oder eines Hauses ist eine der folgenreichsten Entscheidungen, die ein Mensch treffen kann. Trotzdem argumentieren Eigentümer in spe oft vor allem emotional, nicht rational. Sie freuen sich, keine nervigen Vermieter mehr an der Backe zu haben oder würden alles geben, um endlich Tomaten im eigenen Garten ziehen zu können. Andere wünschen sich die wirklich eigenen vier Wände, damit ihre Familie ein Zuhause hat, an das sie sich immer erinnern werden. Oder schätzen die Freiheit, wann immer sie die Lust danach verspüren, eine Wand einreißen oder einen Kamin einbauen zu können. "Miet- und schuldenfrei im abbezahlten Eigenheim wohnen, davon träumen noch immer fast drei Viertel der Deutschen", sagt Petra Uertz, Vorsitzende des Verbands Wohneigentum.

Ob sich das auch finanziell lohnt, interessiert viele erst mal nicht. Das legt zumindest eine Umfrage des Finanzierungsvermittlers Interhyp nahe, nach der lediglich 37 Prozent der Befragten ausgerechnet haben, was ihre Wunschimmobilie sie im Monat kosten könnte. 

Um neben die Bauchentscheidung auch eine finanzmathematische Abwägung zu stellen, gibt es den Mieten-oder-Kaufen-Rechner von ZEIT ONLINE. Mit nur wenigen Eingaben kann er helfen, die teuerste aller Lebensentscheidungen informierter zu treffen. Er stellt dem reinen Gefühl vergleichbare Zahlen entgegen. 

Zum Beispiel zur Finanzierung. Wer eine Immobilie kaufen will, hat das dafür nötige Geld meistens nicht einfach auf dem Konto liegen. Er oder sie muss einen Kredit aufnehmen, dessen Wert meist in die Hunderttausenden geht. Kredite wurden in Zeiten hoher Inflation aber deutlich teurer, weil die Zinsen so schnell und so deutlich gestiegen sind wie lange nicht. Zuletzt schienen sie sich auf einem deutlich höheren Niveau als in den Zehnerjahren einzupendeln, bisweilen sogar leicht zu fallen. Wer mietet, zahlt wiederum monatlich viel Geld fürs Wohnen, ohne dadurch Vermögen aufzubauen, und muss deshalb anderweitig sparen. Der Rechner zeigt für einen gegebenen Fall aus Kaufpreis, Kreditkonditionen und alternativer Anlage, ob die Eigentümerin oder der Mieter am Ende reicher wäre.

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Welche Entscheidung beschert mehr Vermögen?

Der Rechner kann zum Beispiel die Situation einer potenziellen Hauskäuferin abbilden, die 50.000 Euro angespart hat, die sie in eine Immobilienfinanzierung einbringen könnte. Sie steht vor der Entscheidung, ob sie jetzt einen Kredit aufnimmt und eine Wohnung im Wert von 350.000 Euro kauft. Oder ob sie weiterhin ihre aktuelle Miete von 1.000 Euro im Monat zahlt und ihr Eigenkapital und einen monatlichen Sparbetrag anlegt. Welche Entscheidung ihr nach 25 Jahren ein größeres Vermögen beschert, hängt von verschiedenen Annahmen ab, die im Rechner frei wählbar sind, deren Ausgangseinstellung sich aber an deutschen Durchschnittswerten orientiert.

Wie hoch liegen die Bauzinsen? Welchen Wertzuwachs erwartet man bei der Immobilie? Oder nimmt man gar eine Preissenkung an? Und wie rentabel würde die Nutzerin ihr Erspartes anlegen, wenn sie nicht kauft? Würde der Wert der Immobilie jährlich um den langjährigen Durchschnitt von drei Prozent wachsen, würde sie durch den Kauf am Ende mehr Vermögen ansammeln. Ein alternatives Investment müsste eine Rendite von mehr als fünf Prozent abwerfen, um das zu schlagen. Wäre der Wertzuwachs der Wohnung dagegen null Prozent, wäre es schon bei einer relativ einfach erreichbaren Alternativrendite von zwei Prozent finanziell attraktiver, zu mieten und das Geld für die monatliche Kreditrate anderweitig zu sparen.

Was der Rechner wiederum nicht automatisch einbezieht, ist die Lage der Immobilie. Wer zwischen Mieten oder Kaufen abwägt, muss diesen wichtigen Faktor aber bedenken. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied beim Kaufpreis, ob das Traumhaus im günstigen Kyffhäuserkreis in Thüringen oder im teuren Starnberg in Bayern stehen soll. Und auch die Mietkosten klaffen auseinander, je nachdem, ob die Wohnung im günstigen Remscheid oder im teureren Ostholstein liegt. Setzt man die Kaufpreise einer Immobilie in einer Region ins Verhältnis zu den dortigen Jahresmieten, erhält man einen guten Indikator dafür, wie erschwinglich Immobilien sind.

Große regionale Unterschiede

In Garmisch-Partenkirchen mussten Käufer im Jahr 2023 beispielsweise 43 Jahreskaltmieten dafür bezahlen, eine vergleichbare Wohnung zu kaufen. In Stendal wären es nur rund 18 Jahresmieten. Der Blick in die Vergangenheit zeigt, wie viel schwerer es wurde, eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen. So konnte man im Jahr 2013 in Leipzig für 17 Jahreskaltmieten eine Immobilie kaufen. Im Jahr 2022 lag diese Zahl bei 31. Innerhalb eines Jahrzehnts ist es in Leipzig gemessen an diesem Indikator fast doppelt so teuer geworden, eine Wohnung zu kaufen. Ein vorläufiger Höhepunkt. 

2023 wurden Immobilien vielerorts wieder etwas erschwinglicher. Der Markt für Käufer schien sich zuletzt etwas zu entspannen, das Hoch bei den Bauzinsen ist überschritten. Dennoch: Den Immobilienmarkt richtig zu timen, ist für Selbstnutzer kaum möglich. Für sie spielen oft nicht die Umwälzungen der Märkte die entscheidende Rolle – sondern persönliche Umstände.

Entscheidend ist das Eigenkapital

Wer sollte nun zur Miete wohnen oder kaufen? "Das hängt in erster Linie vom eigenen Lebensstil ab", sagt der Finanzexperte Gerd Kommer. Wer öfter den Job und die Region wechselt, sollte sich besser nicht fest an einen Ort binden. Betrachtet man die Entscheidung rein finanziell, lassen sich aber ein paar Regeln ableiten. Zum Beispiel: "Wer viel Eigenkapital hat, für den lohnt sich der Immobilienkauf eher", sagt Kommer. In Deutschland gehören Käufer mit mehr als 160.000 Euro Eigenkapital zu der reicheren Hälfte, wie Zahlen des Kreditvermittlers Interhyp zeigen.

Mehr Eigenkapital führt dazu, dass die Kosten für den nötigen Kredit sinken. Weil zudem die Immobilienpreise fallen, lässt sich mit viel Eigenkapital ein größerer Teil eines Kaufs direkt stemmen. Vermögende profitieren also von der Lage am Immobilienmarkt und den gestiegenen Zinsen. "Je mehr Eigenkapital ich habe, umso stärker drücke ich die Kosten für Bauzinsen nach unten", sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung, die regelmäßig Baufinanzierungen vergleicht. Aktuell sieht Herbst einen Trend zu zehnjährigen und damit eher kurzfristigen Finanzierungen, weil sich Käuferinnen und Käufer bei den höheren Zinsen weniger langfristig binden möchten. Wichtig dabei: "Sondertilgung und die Möglichkeit, die Tilgung zu ändern", sagt FMH-Chef Max Herbst. Mit einer großen Einmalzahlung können Verbraucherinnen die Zinslast – nicht die monatliche Rate – verringern. 

Die Bauzinsen sind 2024 gesunken

Die Bauzinsen stiegen seit 2022 stark an, zuletzt stagnierten sie auf einem gefühlt hohen Wert von knapp unter vier Prozent. Gefühlt, weil der Vergleichszeitpunkt entscheidend ist. Das heutige Zinsniveau entspricht etwa dem kurz nach der Finanzkrise 2009. Verglichen mit den Zehnerjahren, in denen ein bis zwei Prozent normal waren, scheint es hoch. Wer weiter in die Vergangenheit schaut, merkt: Verglichen mit sechs bis zehn Prozent in den Neunzigern wirkt das aktuelle Zinsniveau schon wieder moderat.

In jedem Fall sorgen die Finanzierungskosten dafür, dass es für Menschen mit wenig Eigenkapital lohnender sein kann, weiter zur Miete zu wohnen und den Betrag, der sonst in Zins und Tilgung fließen würde, monatlich in eine alternative Anlage zu stecken. Etwa in Festgeld oder einen Aktien- oder Fondssparplan, mit dem man von den Entwicklungen der Kapitalmärkte profitieren kann. Noch werben viele Banken aktuell mit vier Prozent Zinsen beim Festgeld. Die Sparkonditionen könnten sich aber schnell wieder verschlechtern, wenn die Europäische Zentralbank die Leitzinsen wieder senkt.

Sparen lohnt sich wieder

Einen psychologischen Faktor dürfen Mieterinnen nicht vergessen: Während eine Immobilienfinanzierung zum Sparen zwingt, liefert ein monatlicher Sparplan in Indexfonds oder Sichteinlagen nicht die gleiche Verzichtsmotivation. Für das Traumhaus versagen sich Eigentümerinnen im Zweifel lieber einen teuren Urlaub oder ein neues Auto. Ob Mieter die Aussicht, in 20 Jahren ein dickes Wertpapierportfolio zu haben, ähnlich standhaft bleiben lässt, ist fraglich. Zumal viele deutsche Sparer ihr Geld auf dem Girokonto oder Sparbuch belassen, statt es rentabel anzulegen. Damit verliert es bei der aktuellen Inflation jedes Jahr an Wert. 

Wie sich der Weltaktienindex jährlich entwickelt

Was kein Rechner abbilden kann, sind die Folgen der Mieten-oder-Kaufen-Entscheidung für den eigenen Lebensstil und die Zufriedenheit. Wer sein Haus nach Jahrzehnten abbezahlt hat, wohnt zu verhältnismäßig geringen Kosten. "Auch im Alter bin ich mit Eigenheim flexibel: Ich kann es altersgerecht umbauen, gegebenenfalls mithilfe einer Hypothek, oder auch verkaufen und in eine kleinere Wohnung ziehen", sagt Petra Uertz vom Verband Wohneigentum. Sie glaubt: "Mit der gesetzlichen Rente lässt sich der bisherige Lebensstandard kaum halten." Für sie ist, wenig überraschend, das Eigenheim die beste Altersvorsorge. 

Hauskäufer überschätzen oft die Wertsteigerung ihrer Immobilie

Dem gegenüber stehen allerdings auch einige unangenehme Seiten, die Eigentümer gerne verdrängen. Bis eine Wohnung abbezahlt ist, müssen sie ihr Geld zusammenhalten. Wie das Forschungsinstitut Empirica ermittelt hat, sparen Eigentümer eher bei Reisen und Restaurants. Weil sie monatlich Zins und Tilgung bedienen müssen, sparen sie gezwungenermaßen. Klar, Mieter müssen mit steigenden Wohnkosten rechnen, auch mit steigenden Energiekosten, weil sie etwa auf ihre Heizsituation keinen Einfluss haben. Umgekehrt müssen Eigentümer sanieren und instand halten. Und sie sind nicht davor gefeit, dass neben ihrem Haus eine Straße verlegt oder die freie Sicht zugebaut wird. Der Wert ihres oft einzigen Vermögens ist damit abhängig von den Launen anderer.

So hoch ist die Wertsteigerung von Immobilien pro Jahr

Ein Haus bindet das eigene Einkommen oft über das gesamte Berufsleben, Käuferinnen zahlen ihre Kredite Stand heute oft 30 oder 35 Jahre lang ab, mit höheren Zinsen verlängern sich auch diese Zeiten. Wer sich so lange bindet, sollte deshalb auch die typischen Denkfehler kennen, die angehende Eigentümerinnen machen. Menschen überschätzen, wie sehr ihre Immobilie im Wert steigen könnte. Deshalb fallen die Erwartungen darüber, wie rentabel die Kaufentscheidung langfristig ist, oft zu hoch aus. Das hat Gerd Kommer zufolge auch psychologische Gründe: "Was ich besitze, ist 'natürlich' ein besonders gutes Investment." Mit der objektiven Wirklichkeit müsse das nicht viel zu tun haben. Betrachtet man die Immobilienpreise nach Abzug der Inflation, sind sie in vielen Regionen Deutschlands jahrzehntelang nur leicht gestiegen oder stagnierten. 

Erst im Jahrzehnt der Niedrigzinsen stiegen die Immobilienpreise stark. Zwischen 2010 und 2020 verdoppelte sich der Wohnindex des Immobiliendienstleisters Bulwiengesa. Der ZEIT-ONLINE-Rechner berücksichtigt die Entwicklung ab 1990 mithilfe dieses Index und nimmt dessen durchschnittliche Wertsteigerung von gut drei Prozent als Ausgangswert. "Die 2010er-Jahre waren ein historischer Ausreißer. Das gleicht sich über Jahrzehnte aber aus", sagt Gerd Kommer. Blicke man weiter zurück in der Geschichte, sei der Wert von Häusern und Wohnungen im Schnitt eher zwischen ein und zwei Prozent pro Jahr gestiegen, Inflation einberechnet.

Kurzfristig rechnet die DZ Bank für 2024 damit, dass Immobilien im Schnitt sogar 0,5 bis 2,5 Prozent an Wert verlieren. Das hängt allerdings stark davon ab, ob das Haus in der Münchner Innenstadt oder im tiefsten Sachsen-Anhalt steht. Ersteres könnte im Preis stabil bleiben, selbst wenn die meisten Immobilien im Land günstiger werden.

So stark steigen die Mieten pro Jahr

Mietern bleibt dagegen immer das Risiko, dass ihre Miete teurer wird. Das kann passieren, weil Vermieter immer häufiger auf an die Inflation gekoppelte Mietsteigerungen durch Indexmietverträge setzen. Oder weil eine größere und teurere Wohnung für die Familie schlicht notwendig wird. Besonders auffällig wird das bei günstigen, alten Mietverträgen, die Vermieter lange nicht angepasst haben. "Bei alten Mietverträgen sehen wir teilweise besonders niedrige Mieten, die heute niemand mehr anbieten würde", sagt Max Herbst von der Finanzberatung FMH. Fielen durch einen Umzug mehrere Hundert Euro monatlich mehr Miete an, würde sich die Kalkulation für Mieter rasch verändern. Welchen Preis sie dafür zahlen, ihren alten Mietvertrag aufzugeben, sollten Mieterinnen zumindest durchrechnen. Der Altvertrag könnte dann schon für sich genommen ein Vermögenswert sein.

Methodik

Der Rechner geht davon aus, dass Sie die Differenz zwischen den monatlichen Kosten beim Kaufen und Mieten anlegen. Zahlen Sie als Käufer 2.200 Euro für Kredit und Instandhaltung, würden Sie als Mieter mit 1.000 Euro Kaltmiete die übrigen 1.200 Euro anlegen.

Auch das Eigenkapital legt der Rechner für Mieter an. Der Kredit ist zum Ende der Laufzeit vollständig getilgt. Die Warmmiete mit Nebenkosten spielt für den Rechner keine Rolle, da diese auch beim Kaufen entstehen.

Der Rechner schreibt Zinsen aus Ihrer Investition monatlich gut, die Kapitalertragssteuer zieht er am Ende des Jahres ab. Für alle Fälle gilt: Käufer nutzen die Immobilie selbst und vermieten sie nicht weiter.

Der Rechner trifft einige Annahmen: Voreingestellt für die verschiedenen Parameter sind gängige Werte, meist bundesweite Durchschnitte. Für die Wertsteigerung der Immobilie und die ETF-Rendite sind historische Mittel voreingestellt. In Zukunft könnten sich diese auch anders entwickeln. Für Festgeld- und Kreditzins ist der aktuelle Wert ausgewählt.

Ein wichtiger Faktor ist die Lage der Immobilie, diese bildet der Rechner selbst nicht ab. Allerdings sind im weiteren Verlauf des Artikels langjährige Entwicklungen und aktuelle Werte von regionalen Miet- und Kaufpreisen sowie Bauzinsen, Krediten und Renditen abgebildet. Ob sich der Kauf einer Immobilie tatsächlich lohnt, ist aber immer eine Einzelfallentscheidung. Um sich einen Überblick zu verschaffen, sollten Sie verschiedene Szenarien durchrechnen.

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