Minimalismus in drei Schritten
Weniger Besitz, mehr Freude?
Sonnenlicht und eine Tonne zum Schlafen – mehr soll der griechische Philosoph Diogenes von Sinope nicht zum Leben gebraucht haben. Das machte ihn zu einem der ersten Minimalisten in der Geschichte.
Minimalismus kommt vom lateinischen Wort „minimus”, was das Geringste oder das Wenigste bedeutet. Aber heißt das, sich von allem Besitz zu trennen? Nein, ganz und gar nicht, sagen Expert*innen. Was genau hinter dem Lebensstil steckt, wie minimalistisches Wohnen gelingt und was ein reduzierter Lebensstil bringt.
Minimalismus: Was genau ist das?
Der „postmoderne Minimalismus ist der Trend des bewussten Verzichts“, schreibt das deutsche Zukunftsinstitut und stellt damit ein Gegenkonzept zu unserer Konsumgesellschaft dar, denn allein wir Menschen in Deutschland besitzen pro Kopf etwa 10.000 Dinge.
Minimalismus-Profi und Innenarchitektin Martina Velmeden sieht den Trend eher als eine Lebensphilosophie. „Es geht darum, sein Leben zu hinterfragen und überflüssige Dinge wie auch Verpflichtungen zu reduzieren. Im Ergebnis entstehen Raum und Zeit für das, was für den Minimalisten wesentlich ist.“ Es gehe nicht um Askese, sondern darum, statt immer weiter mehr Besitz anzuhäufen, weniger Dinge mit höherer Qualität zu haben.
Dabei sei Minimalismus nicht nur auf Materielles beschränkt, sondern betreffe auch mentale und emotionale Aspekte. So könne es sein, dass jemand „falsche Freunde” als Ballast empfindet und sich von diesen befreie. „Minimalismus kann sich durch alle Lebensbereiche ziehen“, sagt Velmeden.
Minimalismus kann also viele Gesichter haben. Für den einen bedeutet der Lebensstil, nur 100 Dinge zu besitzen, für die andere ist es das einfache Leben in einem Tiny House. Aber egal, ob der Hausstand halbiert oder das Zuhause verkleinert wird: Entscheidend ist, sich auf das zu konzentrieren, was einem wirklich wichtig ist – anstatt gedankenlos immer mehr (überflüssigen) Besitz anzuhäufen.
Was bringt ein minimalistischer Lebensstil?
Minimalismus erfüllt verschiedene Zwecke und kann in unterschiedlichen Bereichen sinnvoll sein. Laut Velmeden kann ein minimalistisches Leben diese Vorteile mit sich bringen:
- Stressreduktion,
- Geld- und Zeitersparnis,
- Schonung von Ressourcen und Rohstoffen,
- Förderung der Kreativität und inneren Ruhe,
- weniger Ablenkung und mehr Achtsamkeit für das Wesentliche.
Vor allem macht minimalistisches Leben aber eins: glücklicher. Das bestätigt eine Meta-Analyse von 23 Studien der University of North Texas aus dem Jahr 2021, die im „Journal of Positive Psychology“ veröffentlicht wurde: Mehr als 80% der Studien konnten eine positive Verbindung zwischen einem bewusst einfachen Leben und mehr Wohlbefinden nachweisen.
Die Forschenden führen den Zusammenhang vor allem darauf zurück, dass Minimalist*innen ihr Konsumverlangen besser kontrollieren können als andere. Statt Besitz anzuhäufen, beschäftigen sie sich mehr mit ihren psychologischen Bedürfnissen, wie etwa der Persönlichkeitsentwicklung.
Minimalistisch leben in 3 Schritten
Minimalismus als Lebensstil – klingt ja schön und gut, aber wie und wo fängt man an, wenn man minimalistischer leben möchte? Diese drei Schritte können helfen:
Schritt 1: Bewusster Konsum
Die digitale Nomadin und Minimalistin Jasmin Mittag rät dazu, zunächst bewusster zu konsumieren. „Das bedeutet, dass wir erstmal achtsamer mit den Dingen werden, die wir neu in unser Leben lassen.“ Brauche ich den neuen Pullover wirklich? Warum muss es wieder ein neues Smartphone sein? Hierbei könne es helfen, seine Werte zu reflektieren, um herauszufinden, wo die eigenen Prioritäten liegen.
Schritt 2: Aussortieren, ordnen und loswerden
Erst dann gehe es im zweiten Schritt darum, sein Hab und Gut sichtbar zu machen und auszusortieren. Das lässt sich beispielweise nach der KonMari-Methode („Behalte nur, was dich glücklich macht“) umsetzen.
Wer sich von überflüssigem Besitz getrennt hat, kann den bestehenden ordnen. Martina Velmeden rät dazu, jedem Gegenstand einen festen Platz zu geben, offenen Stauraum übersichtlich zu halten und Kleinkram wegzusortieren.
Schritt 3: Reflektionsphase
Wer sein Zuhause entrümpelt hat, kann sich danach fragen: Wie geht es mir jetzt nach dem Ausmisten und Loslassen? „Im dritten Schritt geht es dann meist automatisch um die Erfüllung von Herzenswünschen, die nicht materialistischer Natur sind“, sagt Jasmin Mittag. „Denn im minimalistischen Lebensstil liegt eine große Chance zur persönlichen Weiterentwicklung.“ Der Grund: Der Kopf ist freier dafür, da wir uns nicht damit beschäftigen müssen, Dinge abzustauben, aufzuräumen oder einen Sinn in materiellen Dingen zu suchen.
Minimalistisch zu leben ist ein Weg, der sich je nach Lebensphase immer wieder anpassen und verändern könne, sagt Jasmin Mittag. Die größte Herausforderung dabei? Seinen eigenen Weg zu finden. „Es gibt kein Patentrezept dafür, wie man sein Leben so gestaltet, dass man sich auf das für sich Wesentliche konzentriert.“ Bücher und der Austausch mit anderen Menschen, die sich auch für das Thema interessieren, können helfen, Minimalismus Schritt für Schritt umzusetzen.
Gut zu wissen: Während sich Minimalist*innen in erster Linie von überflüssigem Besitz in ihrem Zuhause befreien, zielt Frugalismus auf einen sparsamen und bewussten Umgang mit finanziellen Ressourcen ab. Der größte Teil des Verdienstes wird zum Beispiel als Geldanlage eingesetzt.