Moderne Arbeitsmodelle im Überblick
Ortsunabhängig, digital und flexibel
Sie wollen Ihre Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern oder spielen mit dem Gedanken, digitaler Nomade zu werden? Das Timing könnte besser nicht sein: In der Bugwelle der Pandemie erfahren moderne Arbeitsmodelle einen nie dagewesenen Aufwind. Arbeit und Digitalisierung rücken nicht zuletzt dank diverser Tools für das digitale Arbeiten näher zusammen.
Remote arbeiten, Hybrid-Modelle oder Jobsharing: Was bisher vor allem von Digitalnomaden, also Menschen, die ihren festen Lebensmittelpunkt gegen das Leben auf Reisen eingetauscht haben, gelebt wurde, ist inzwischen der Arbeitsalltag der Zukunft. Der Versicherungskonzern Allianz etwa hat im Oktober 2020 das Projekt „New Work Model“ ins Leben gerufen, das darauf abzielt, „die positiven Lehren aus der Covid-19-Krise zu nutzen, um eine Blaupause für die Zukunft der täglichen Arbeit im Unternehmen zu erstellen“, wie es auf der Seite zum Projekt heißt.
Moderne Arbeitsmodelle: Welche gibt es?
The New Normal – die neue Normalität – wird die heutige Art zu arbeiten auch genannt. Doch welche modernen Arbeitsmodelle erwarten uns eigentlich in Zukunft?
1. Homeoffice oder hybrides Arbeiten
Die Arbeit von zu Hause aus statt klassisch im Büro – das ist für viele seit Pandemiebeginn Realität. Die Kombination aus Homeoffice und der Arbeit im Büro nennt sich hybrides Arbeiten. Laut einer langfristig angelegten Untersuchung des Fraunhofer-Instituts gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) wollen 71% der 500 befragten Unternehmen ihren Angestellten die Arbeit im Homeoffice ermöglichen, sofern diese das wünschen.
2. Remote Work, Workation & Co-Working
Remote Work bezeichnet die Arbeit von unterwegs aus. Besonders für Digitalnomaden ist dieses Arbeitsmodell sehr attraktiv. Um ihren Traum zu leben und mobiles Arbeiten unter besten Bedingungen umsetzen zu können, nutzen sie oft Co-Working-Spaces. Auch Unternehmen hierzulande ermöglichen ihren Mitarbeitenden inzwischen, in Co-Working-Spaces statt klassisch im Büro arbeiten. Dadurch soll mehr Raum für Kreativität und Flexibilität geschaffen werden.
Nicht nur in Großstädten werden Co-Working-Spaces eröffnet. Inzwischen finden sich auch einige auf dem Land, wie etwa:
The Vield in Vielitz
Bahnhofszeit in Nauen
Mindspot in St. Peter-Ording
Bei den ländlichen Co-Working-Möglichkeiten gebe es einige, die bewusst auf die Kombination aus Arbeit und Urlaub setzen. „Das nennt sich dann Workation“, sagt Hans-Albrecht Wiehler. Er ist Leiter des Landesbüros Niedersachsen der Genossenschaft CoWorkLand. „Der Gedanke dahinter ist: Ich arbeite mal einen halben Tag oder Tag und kann mich dann in der restlichen Zeit entspannen.“ Solche Modelle werden an touristisch attraktiven Orten, etwa an der Küste, in den Bergen und auf Bauernhöfen, angeboten.
3. Jobsharing und andere neue Arbeitszeitmodelle
Beim Jobsharing teilen sich zwei Menschen eine Vollzeitstelle. So können Führungspositionen in Vollzeit besetzt, während gleichzeitig die Teilzeit-Wünsche von Angestellten erfüllt werden. Daneben sorgen Arbeitszeitmodelle wie Gleitzeit oder Jahresarbeitszeit für mehr Flexibilität. Welche Arbeitszeitmodelle es gibt, erklärt das W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung in einem YouTube-Video.
Ein Sabbatical kann ebenfalls Ausdruck eines modernen Arbeitsmodells sein. Hierbei füllen Angestellte über einen gewissen Zeitraum ein Arbeitszeitkonto an, um anschließend eine Zeit lang zu reisen und eine Pause vom Arbeitsalltag zu nehmen.
Arbeit und Digitalisierung: Vor- und Nachteile
Moderne Arbeitsmodelle sollten im besten Fall für mehr Selbstbestimmung sorgen. „Ein großes Pro beim Homeoffice ist die Flexibilität für die Arbeitnehmer bei der Örtlichkeit. Der Arbeitsweg fällt weg, vor allem für Familien mit Kindern ist das praktisch“, sagt Arbeitspsychologin Silke Weisweiler von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Auf der anderen Seite hält die Studie des Fraunhofer-Instituts und der DGFP fest, dass über 70% der Befragten negative Auswirkungen durch eine Entgrenzung bei den Beschäftigten ihres Unternehmens beobachten. Mitarbeiter*innen haben demnach Schwierigkeiten, Arbeits- und Privatleben zu trennen. Weisweilers Beobachtungen zu Arbeit und Digitalisierung unterstreichen dies. Gerade Videokonferenzen seien eine Herausforderung. Sie habe den Eindruck, „dass die Leute müde davon sind, ständig beobachtet zu werden.“
Was verändert sich durch New Work für Führungskräfte?
Für Vorgesetzte ist die neue Art zu arbeiten eine Herausforderung. Laut den Untersuchungen des Fraunhofer Instituts und der DGFP hätten 85,5% der Führungskräfte den Eindruck, dass mehr Kommunikation nötig sei, knapp 80% gaben an, mehr Koordinations-, Planungs- und Überprüfungsaufwand zu haben.
Arbeitspsychologin Silke Weisweiler fordert mehr Weiterbildungen für digitales Führen. „Aus meiner Sicht sind Führungskräfte nicht gut auf das Führen
aus der Ferne vorbereitet“, sagt sie. Besonders das Vertrauen in die Mitarbeitenden: „Für die Führungskultur gilt, wenn kein Vertrauen in Präsenz vorherrscht, dann ist es auch nicht im Homeoffice da. Ohne Vertrauen funktioniert das nicht, das hat auch Auswirkungen auf die Leistung.“ Ein Mangel könne weitreichende Folgen haben: Es sei erwiesen, dass mehr Fehler passieren, wenn Mitarbeiter*innen das Gefühl haben, kontrolliert zu werden.
Wie wird modernes Arbeitsmodell möglich?
Sie möchten ebenfalls in den Genuss von beruflicher Mobilität oder anderen modernen Arbeitsmodellen kommen? Am einfachsten ist dies umzusetzen, wenn Sie selbstständig oder ein Unternehmensgründer*in sind. Dann bestimmen Sie, wie und von wo aus Sie arbeiten. Arbeiten Sie in einer Festanstellung, sollten Sie das Thema beim nächsten Mitarbeitergespräch platzieren.
Mobiles Arbeiten: zwei Tipps für den Erfolg
Damit mobiles Arbeiten zum Erfolg wird und Arbeitnehmer*innen nicht unbeabsichtigt ihre Arbeitszeit in Social Media verbringen, hat die Beraterin für mobiles Arbeiten Teresa Hertwig zwei Tipps:
1. Silent Work
So funktioniert‘s: Teammitglieder schalten sich in einer Videokonferenz zusammen. Am Anfang wird kurz geredet, dann arbeitet jeder konzentriert vor sich hin. Die Kamera bleibt an, der Ton aus. „So lässt sich für zwei bis drei Stunden ein virtuelles Büro erschaffen“, sagt Hertwig, die empfiehlt, diese Methode mehrmals pro Woche anzuwenden. Gerade wenn allen zu Hause die Decke auf den Kopf fiele, sei das eine gute Möglichkeit, der Isolation entgegenzuwirken.
2. Die Pomodoro-Technik
Das Prinzip: Sie unterteilen Ihre Arbeit in Schritte von 25 Minuten. Während dieser Zeit konzentrieren Sie sich voll auf Ihre Aufgabe, anschließend gibt es eine kurze Pause, bevor der nächste Arbeitssprint beginnt. Der Name der Technik stammt von der Eieruhr, die in Italien klassischerweise die Form einer Tomate (ital.: pomodoro) hat. Hertwig schlägt für eine zweistündige Silent-Work-Session zwei Pomodoro-Sprints von jeweils 50 Minuten vor, dazwischen machen die Teammitglieder zusammen 10 Minuten Pause. Vor der Session werden Ziele festgehalten – am Ende wird der Erfolg in der Runde besprochen. Dabei gehe es nicht um Kontrolle. „Vielmehr lernen Beschäftigte so, ihre Zeit besser einschätzen und einteilen zu können.“
Herwig ist Gründerin von GetRemote, einer Beratung für Führungskräfte in Bezug auf moderne Arbeitsmodelle. Mehr Tipps gibt es auf ihrer Website oder in ihrem 2021 veröffentlichten Buch „30 Minuten, 360° Remote Work“.