Nebenwerte aus Europa – jetzt interessant?
Die europäischen Nebenwerte konnten in den vergangenen zwei Jahren zwar zulegen, schnitten aber schlechter ab als die großen Werte, die Large Caps. Was sind die Gründe dafür, und nehmen die Mid und Small Caps bald wieder mehr Fahrt auf?
Eine Analyse von Thomas Behnke, Busch und Partner| Werbemitteilung
Der Performanceunterschied von Large und Mid bzw. Small Caps lässt sich gut anhand des STOXX Europe 600 Index veranschaulichen. Er umfasst die 600 nach Marktkapitalisierung größten Werte aus den entwickelten Ländern Europas. Enthalten sind Aktien aus der Eurozone, Großbritannien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Polen und der Schweiz. Die 600 Aktien werden entsprechend ihrer Marktkapitalisierung außerdem zu je einem Drittel den Indizes STOXX Europe Large 200, STOXX Europe Mid 200 und STOXX Europe Small 200 zugeordnet. Ein Vergleich verdeutlicht, dass die Mid und Small Caps (im Folgenden zusammen als Nebenwerte bezeichnet) seit einiger Zeit schlechter abschneiden als die Large Caps. Zuvor hatten die Nebenwerte eine Outperformance gezeigt.
Die Hauptgründe für die tendenziell unterschiedliche Entwicklung liegen im Konjunktur- und im Zinsumfeld. Vereinfacht ausgedrückt gilt: In Phasen eines gesamtwirtschaftlichen Aufschwungs entwickeln sich die Nebenwerte insgesamt besser als Large Caps – und umgekehrt. Dies war auch in den vergangenen Jahren zu beobachten. Die Abkühlung der europäischen Wirtschaft bremste die konjunktursensitiveren Nebenwerte überdurchschnittlich. Zudem belastete das inflationsgetriebene Umfeld steigender Zinsen die Mid und Small Caps stärker, da diese in Phasen höherer Zinsen deutlicher unter erschwerten Refinanzierungsbedingungen und höheren Kapitalkosten leiden.
Zinsgipfel erreicht
Mittlerweile scheint jedoch der Zinsgipfel erreicht zu sein. Nach Leitzinssenkungen in der Schweiz, Polen und Schweden folgten im Juni die Europäische Zentralbank (EZB) und die dänische Zentralbank sowie Anfang August die Bank of England. Sollte sich das allgemeine Inflations- und damit Zinsumfeld weiter abschwächen und dadurch auch die Konjunktur an Fahrt gewinnen, wären dies positive Katalysatoren für Nebenwerte. Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes oder weitere Inflationsdaten könnten hier in den nächsten Monaten als Indikatoren dienen.
Ungewöhnliche Abschläge
Nebenwerte sind derzeit auch wegen ihrer vergleichsweise günstigen Bewertung einen näheren Blick wert. Statistisch gesehen werden die Mid und Small Caps aufgrund ihres tendenziell höheren Wachstumspotenzials an der Börse mit einem Aufschlag gegenüber Large Caps gehandelt und weisen daher ein höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf. Seit gut einem Jahr ist nun die ungewöhnliche Situation eingetreten, dass Mid und Small Caps durchgehend einen Abschlag gegenüber Large Caps zeigen. Hier dürfte sich das hohe Zinsumfeld und die schwache Konjunktur bemerkbar machen und das Sentiment für Nebenwerte stärker belastet haben. Denn höhere Kapitalkosten und ein verschlechtertes Geschäftsumfeld trüben die Gewinnaussichten.
Es gibt also Faktoren, die für ein Aufholpotenzial bei Mid und Small Caps sprechen könnten. Dieses Szenario können Anlegerinnen und Anleger mit ETFs auf den STOXX Europe Mid 200 und den STOXX Europe Small 200 umsetzen, die sich über die ETF-Suche der ING finden lassen. Beide Indizes enthalten ein breites Spektrum an Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen mit vielen verschiedenen Geschäftsmodellen und ermöglichen so eine breite Diversifikation im Nebenwertebereich. Die Kursbarometer sind zugleich eine mögliche Anlaufstelle, um nach potenziellen Kandidaten für Einzelinvestments im Nebenwertebereich Ausschau zu halten und dabei über den heimischen Tellerrand wie MDAX oder SDAX hinauszublicken. Stellvertretend hierfür sind die beiden folgenden Unternehmen.
Viscofan zieht Würste an
Die spanische Viscofan Group ist mit einem Marktanteil von 22 % Weltmarktführer bei Wursthüllen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1975 ist sie der Spezialist für künstliche Hüllen oder Kunstdärme, die bei der Herstellung von Wurstwaren Tierdärme ersetzen. Viscofan ist dabei der einzige Hersteller, der über alle vier verfügbaren Technologien verfügt: Kollagen, Zellulose, Fasern und Kunststoff.
Teil der Wachstumsstrategie ist es, die Produktionskapazitäten auszubauen und die Fertigungs- und Materialkompetenz im traditionellen Geschäft kontinuierlich weiterzuentwickeln und auf neue Anwendungen auszudehnen. Dazu gehören funktionale Lösungen wie essbare Hüllen oder Transferhüllen, die zum Beispiel Gewürzmischungen enthalten. Und Viscofan verpackt nicht nur tierische Proteine. Das Unternehmen geht mit dem Trend und entwickelt auch Hüllen auf pflanzlicher Basis, die speziell auf vegetarische oder vegane Produkte zugeschnitten sind. Seine Expertise im Bereich Kollagen will das Unternehmen für medizinische Produkte nutzen, unter anderem für Anwendungen in der Zellbiologie und der regenerativen Medizin. Die Investitionen in neue Produktkategorien sind mit entsprechenden Risiken verbunden. Weitere potenzielle Belastungsfaktoren sind steigende Preise für Energie, Rohstoffe und Transport sowie negative Wechselkurseffekte durch die starke internationale Präsenz.
Dennoch zeichnet sich das Geschäftsmodell durch eine grundsätzlich über dem Branchendurchschnitt liegende Profitabilität aus. Im Geschäftsjahr 2023 erwirtschaftete Viscofan bei einem Umsatz von 1,23 Mrd. Euro ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 185 Mio. Euro. Dies entspricht einer EBIT-Marge von 15,1 %. Eine gesunde Bilanz mit geringer Verschuldung sowie solide Cashflows runden das Bild ab und ermöglichen die Ausschüttung einer Dividende.
ANDRITZ: nachhaltige Technologien
Eine Dividende zahlt auch der österreichische Maschinenbauer ANDRITZ. Mit seinen Anlagen, Ausrüstungen, Dienstleistungen und digitalen Lösungen adressiert er unterschiedlichste Industrien und Endmärkte. Dabei spielt das Thema Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle. ANDRITZ entwickelt beispielsweise Lösungen zur CO2-Abtrennung, zur Erzeugung erneuerbarer Kraftstoffe, zur Batterieproduktion für E-Autos und zum Textilrecycling. Zu den traditionellen Kernaktivitäten zählen Anlagen zur Erzeugung von Faserstoffen (Zellstoff, Papier, Karton), für die Metallerzeugung und für Wasserkraftwerke.
Ein wesentlicher Bestandteil der Strategie ist die Expansion durch Akquisitionen. Seit dem Börsengang im Jahr 2001 wurden 76 Zukäufe getätigt und damit das Portfolio in allen Geschäftsbereichen erweitert. Diese Strategie ist nicht ohne Risiko, hat sich aber bisher als erfolgreich erwiesen. Sie soll auch in Zukunft fortgesetzt werden. Ein Nachteil des Geschäftsmodells ist die vergleichsweise geringe Profitabilität, die jedoch aufgrund der hohen Kapitalintensität für Maschinenbauer typisch ist. ANDRITZ erwirtschaftete 2023 bei einem Umsatz von 8,66 Mrd. Euro ein EBIT von 685,2 Mio. Euro (EBIT-Marge: 7,9 %).
Positiv ist der bereits hohe Serviceanteil (Wartungen, Umbauten, Modernisierungen, Reparaturen) am Gesamtumsatz von rund 40 %, der weiter erhöht werden soll. Ein hoher Serviceanteil verringert die Abhängigkeit vom zyklischen Investitionsgütergeschäft und birgt zudem das Potenzial, die Profitabilität auszubauen.
Investment-Beispiele Aktien:
Name | ISIN | Aktueller Kurs | KGV* (2024) | Gewinn/Aktie (2024**) | Dividende (2024**) | Dividenderendite (2024**) |
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iShares STOXX Europe Mid 200 ETF | DE0005933998 | 52,38 EUR | - | - | - | - |
iShares STOXX Europe Small 200 ETF | DE000A0D8QZ7 | 33,09 EUR | - | - | - | - |
ANDRITZ | AT0000730007 | 58,35 EUR | 10,9 | 5,37 EUR | 2,65 EUR | 4,54 % |
Viscofan | ES0184262212 | 61,40 EUR | 18,1 | 3,39 EUR | 2,25 EUR | 3,66 % |
*KGV: Kurs-Gewinn-Verhältnis; ** Prognose (Quelle: FactSet); Stand: 09.09.2024