Niedriglohn: Branchen, Zahlen, Maßnahmen

Wer ist betroffen und was kann man tun?

Finanzwissen 4 min Lesedauer 02.10.2024

Als Niedriglohn bezeichnen Statistikerinnen und Statistiker einen Bruttoverdienst pro Stunde, der geringer ist als zwei Drittel des Medianlohns, also des mittleren – nicht des durchschnittlichen – Verdienstes aller Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisse. Die sogenannte Niedriglohngrenze oder Niedriglohnschwelle, unterhalb derer ein Stundenverdienst als Niedriglohn einzustufen ist, lag in Deutschland im April 2023 laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) bei 13,04 Euro. Der gesetzliche Mindestlohn betrug zur gleichen Zeit 12 Euro brutto pro Stunde und lag damit mehr als einen Euro unter der Niedriglohnschwelle.

Insgesamt rund 6,4 Millionen abhängig Beschäftigte in Deutschland verdienten nach den Destatis-Zahlen im April 2023 weniger als 13,04 Euro brutto in der Stunde. Die Niedriglohnquote lag damit bei 16 % der Beschäftigten. Im Fünfjahresvergleich war sie etwas gesunken: 2018 hatte der Anteil der Menschen mit Niedriglohnbeschäftigung noch gut 20 % betragen.

Besonders betroffene Branchen

Besonders häufig werden Niedriglöhne in Bewirtungs- und Gastronomiebetrieben bezahlt, wo 2023 gut die Hälfte der Beschäftigten unter der Niedriglohnschwelle lag. In den folgenden Branchen wurden am häufigsten Niedriglöhne gezahlt:

  • Gastgewerbe: 50,7 %
  • Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft: 42,6 %
  • Kunst, Unterhaltung und Erholung: 36 %
  • Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen: 31 %
  • Grundstücks- und Wohnungswesen: 30,6 %

Am geringsten fiel die Niedriglohnquote in der öffentlichen Verwaltung (4 %), bei Finanzinstituten und Versicherungen (6 %) und in den Bereichen Information/Kommunikation sowie Wasser, Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen (jeweils 7 %) aus.

Mindestlohn als Schutz vor Niedriglöhnen

Um die Niedriglohnquote dauerhaft zu senken, gibt es auf politischer Ebene unterschiedliche Vorschläge. Im Gespräch ist unter anderem eine stärkere Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns als derzeit geplant. Demnach soll dieser zum 1. Januar 2025 von aktuell 12,41 Euro auf 12,82 Euro pro Stunde steigen. Mitte 2025 soll dann die Mindestlohnkommission der Bundesregierung Vorschläge unterbreiten, wie sich der Mindestlohn in den Folgejahren weiter entwickeln könnte.

Allerdings gibt es bereits heute Forderungen, unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund, nach einer Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie. Damit würde der Mindestlohn künftig von rund 53 % auf 60 % des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland steigen, sagt Martin Popp vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Dies würde derzeit einen Mindestlohn von rund 14,30 Euro pro Stunde implizieren.“

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) plädiert für eine Erhöhung des Mindestlohns. Davon würden sowohl die Beschäftigten als auch die Wirtschaft insgesamt profitieren, schreibt DIW-Präsident Marcel Fratzscher in einem Blog-Beitrag: „Höhere Löhne bedeuten bessere Einkommen, was wiederum zu einer höheren Kaufkraft führt und auch den privaten Konsum erhöht. Das wiederum erhöht die Nachfrage und sorgt für mehr Umsatz für die Unternehmen.“

Zwar gibt es Fratzscher zufolge auch Nachteile: So könnten einige Unternehmen aufgrund der höheren Lohnkosten gezwungen sein, Beschäftigte zu entlassen, und bestimmte Produkte, etwa beim Bäcker oder im Supermarkt, könnten sich weiter verteuern. Dennoch, so resümiert Fratzscher, dürften die positiven Aspekte für die Wirtschaft und Unternehmen als Ganzes überwiegen.

Weitere mögliche Maßnahmen

Auch mit einer Stärkung der Tarifbindung, beispielsweise durch das geplante Tariftreuegesetz, könnte die Niedriglohnquote gesenkt werden, ist IAB-Experte Popp überzeugt. So dürfte der Bund öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Betriebe vergeben. „Eine weitere Maßnahme wäre der Abbau von marktbeherrschenden Positionen von Betrieben, beispielsweise durch stärkere Entgelttransparenz oder kartellrechtliche Maßnahmen.“

Einen Einfluss hat auch der individuelle Grad der Qualifikation: Je besser eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer ausgebildet ist, desto weniger wahrscheinlich ist es dem Statistischen Bundesamt zufolge, dass sie oder er eine Beschäftigung mit Niedriglohn ausübt. So waren 2023 37 % der Beschäftigten ohne Berufsausbildung im Niedriglohnsektor tätig. Unter den Beschäftigten mit Berufsausbildung waren es 15 %, unter denen mit Hochschulabschluss sogar nur 6 %.

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