Pflichtteilsentzug beim Erben
Nur bei handfesten Gründen möglich
Wenn ein Mensch stirbt, erben seine Angehörigen, so will es das Gesetz. Gibt es Unstimmigkeiten in der Familie, können Verwandte aber auch enterbt werden. Ganz leer gehen enterbte Personen meist jedoch nicht aus: Nahe Angehörige haben im Erbfall einen Anspruch auf einen Pflichtteil.
Pflichtteilsberechtigte sind Kinder – egal, ob sie ehelich, nichtehelich oder adoptiert sind, Ehegatt*innen sowie die Eltern, wenn Erblasser*innen selbst keine Kinder haben. Enkel- und Urenkelkinder können einen Pflichtteilsanspruch unter der Voraussetzung geltend machen, dass sie von der Erbfolge ausgeschlossen und ihre Eltern verstorben sind. Keinen Anspruch auf einen Pflichtteil haben Geschwister und Großeltern.
Aber ist auch eine Pflichtteilsentziehung möglich? „Nur in sehr seltenen Fällen – und dafür müssen handfeste Gründe vorliegen“, sagt der Heidelberger Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V., Jan Bittler.
Das ist eine Pflichtteilsentziehung: Dabei handelt es sich um die vollständige Enterbung von Pflichtteilsberechtigten. Diese haben wegen eines schweren Vergehens gegen den/die Erblasser*in oder eine ihm oder ihr nahestehende Person keinen Anspruch mehr auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbeteiligung am Erbe. Sie sind damit aus dem Kreis der Erbenden vollständig ausgeschlossen.
Welche Gründe für eine Pflichtteilsentziehung gelten
Pflichtteilsberechtigte müssen sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht haben. Was bedeutet das im Einzelnen?
Der oder die Pflichtteilsberechtigte
- trachtet dem/der Erblasser*in oder einer ihm oder ihr nahestehenden Person nach dem Leben.
- hat ein schweres Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen gegen obengenannte Personen begangen. „Dazu zählt auch, wenn Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser Schmuck oder andere Wertsachen gestohlen haben“, erläutert Bittler.
- hat die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem/der Erblasser*in böswillig verletzt.
- ist wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt worden.
„Liebloses Verhalten, Entfremdung oder Undankbarkeit sind keine rechtswirksamen Gründe für eine Pflichtteilsentziehung“, stellt Bittler klar. Auch Beleidigungen gehören nicht dazu.
Pflichtteilsentziehung im Testament aufführen
Eine Pflichtteilsentziehung muss in einem gültigen Testament und im Erbvertrag erwähnt sein. Der Grund für die vollständige Enterbung einer Person ist anzugeben und zu erläutern. Zudem sind Belege beizufügen – zum Beispiel eine Strafanzeige, ein ärztliches Attest oder ein Gerichtsurteil. „Aus dem jeweiligen Dokument muss klar hervorgehen, dass die Person vom Erbe komplett ausgeschlossen ist, sie also auch keinen Anspruch auf den Pflichtteil hat“, sagt Bittler.
Übrigens: Zum Zeitpunkt der Aufsetzung des Testaments muss der Grund für die Pflichtteilsentziehung bestehen, das ist in Paragraf 2336 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert.
Pflichtteilsentzug beim Erben ist nicht unwiderruflich
Nicht selten kommt es zu einer Aufhebung der Pflichtteilsentziehung. Denn: Innerhalb der Familie verzeiht man häufig vor dem Erbfall. Eine Verzeihung seitens der Erblassenden erfolgt am besten schriftlich, entweder per Brief oder in Form einer elektronischen Nachricht. Dabei ist es wichtig, dass sie selbst und nicht durch Dritte verzeihen.
Pflichtteil im Zweifel gerichtlich einfordern
Wer von einer Pflichtteilsentziehung betroffen ist, diese aber für ungerechtfertigt hält, kann seinen oder ihren Pflichtteil einfordern. Das bietet sich an, wenn beispielsweise nicht ausreichend Beweise vorliegen, dass sich ein/e Pflichtteilsberechtigte*r einem ihm oder ihr vorgeworfenen Vergehen schuldig gemacht hat.
Bei einer ungerechtfertigten Pflichtteilsentziehung können Betroffene ihren Pflichtteil im Zweifel auch gerichtlich einfordern. Ratsam ist, sich hierbei von Fachanwält*innen für Erbrecht beraten zu lassen.