Gehaltsvorstellung: Was ist realistisch?

Tipps für eine angemessene Forderung

Arbeit-Recht 5 min Lesedauer 12.08.2024

Frisch aus dem Studium und jetzt heißt es: den ersten Job ergattern. Doch mit wie viel Gehalt kann man eigentlich beim Eintritt in die Arbeitswelt rechnen? Eine Befragung der Universität Maastricht im Auftrag der Jobplattform „Jobvalley“, die im Zeitraum Oktober und November 2023 durchgeführt wurde und an der 12.343 Studierende aus ganz Deutschland teilgenommen haben, zeigt: Studentische Gehaltsvorstellungen beim Berufseinstieg liegen bei rund 49.500 Euro. Ist das eine realistische Messgröße? Laut Stepstone Gehaltsreport 2024 verdienen Berufseinsteiger*innen immerhin durchschnittlich nur 38.250 Euro. Mit Hochschulabschluss werden 45.000 Euro gezahlt, und ohne Hochschulabschluss 34.500 Euro. Für den Gehaltsreport wurden mehr als 920.000 Gehaltsdaten ausgewertet. Die Erhebung ist repräsentativ für die Erwerbsbevölkerung auf Bundes- und Landesebene.

Gehaltswünsche: Zu niedrig – oder zu hoch?

Dass das künftige Gehalt höher oder niedriger eingeschätzt wird, als es angemessen wäre, passiert häufig. Dabei es ist wichtig, eine realistische Vorstellung zu haben: „Das Einstiegsgehalt ist Ausgangspunkt für jede weitere Gehaltsverhandlung. Wenn man niedrig einsteigt, entwickelt man sich langsamer“, sagt Gehaltscoach Sandra Schumacher aus Hamburg. Außerdem könne bei einem niedrigen Einstiegsgehalt eine Unzufriedenheit im Job entstehen. Viele Jobsuchende haben jedoch Angst, dass sie zu viel verlangen und sich dadurch ins Aus schießen, weiß Karrierecoach Pamela Grüninger aus Tübingen.

Um realistische Gehaltsvorstellungen zu entwickeln, sind einige Überlegungen nötig. Mit diesen Tipps gelingt’s.

Faktoren, die das Einstiegsgehalt beeinflussen

Branche und Unternehmensgröße: Je nach Branche oder Unternehmensgröße können die Gehälter stark variieren, sagt Expertin Grüninger. In der IT- und Finanzbranche werde beispielsweise oft mehr gezahlt als im sozialen Dienst. Laut Stepstone Gehaltsreport haben folgende Berufe die höchsten Einstiegsgehälter:

  • Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen: 61.570 Euro
  • Information Security Officer: 57.750 Euro
  • Assistenzärzte und Assistenzärztinnen: 56.500 Euro

Doch auch Angebot und Nachfrage haben einen großen Einfluss aufs Gehalt: „Wo es Fachkräftemangel gibt, ist die Nachfrage höher. In dieser Situation kann man oft ein besseres Gehalt aushandeln als in Bereichen, die überlaufen sind, wie beispielsweise im Personal oder Marketing“, erklärt Grüninger. Außerdem sehe das Gehalt in einem Konzern häufig anders aus als in kleineren Unternehmen.

Region: Auch gibt es regionale Unterschiede. So liegt das Durchschnittsgehalt im Median laut Gehaltsreport in Hamburg beispielsweise bei 49.750 Euro, während es in Sachsen-Anhalt bei nur 36.500 Euro liegt. Und: „In Städten wird oft mehr gezahlt als auf dem Land“, fügt Schumacher hinzu.

Berufserfahrung und Qualifikationen: Während Arbeitnehmende mit Berufserfahrung mehr Gehalt erwarten können, sollten sich Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger dennoch nicht unter Wert verkaufen: „Selbst als Einsteiger bringt man häufig Erfahrungen aus Praktika, Nebenjobs oder Studienarbeiten mit, die relevant sind“, erinnert Schumacher.

So gelingt die Vorbereitung

Der wohl wichtigste Punkt, um ein realistisches Wunschgehalt zu ermitteln und dieses auch durchzusetzen, ist eine gründliche Vorbereitung. Diese Schritte helfen dabei:

  1. Durchschnittsgehälter recherchieren: Was sind gängige Gehälter in der gewünschten Branche und Position? Im Internet gibt es praktische Gehaltsdatenbanken. Der Entgeltatlas der Agentur für Arbeit oder der interaktive Gehaltsrechner des Statistischen Bundesamts  geben einen ersten Überblick. Je nach Job und Branche kann es auch hilfreich sein, einen Blick in die entsprechenden Tarifverträge zu werfen.
  2. Berufliches Netzwerk nutzen: Ein oft unterschätzter Tipp ist es, Freunde oder Bekannte ansprechen. Gehaltscoach Schumacher schlägt vor, mit drei bis fünf Personen aus der Branche zu sprechen und zu erfragen, was ihrer Meinung nach ein gutes Einstiegsgehalt in dem Bereich ist. Wer im ersten Moment niemanden kennt, solle nicht gleich aufgeben: „Manchmal hat man über den weiteren Bekanntenkreis Zugriff auf Menschen“, weiß die Expertin.
  3. Verhandlungsgeschick entwickeln: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage: Wie gut kann ich mich verkaufen? Schumacher rät, die gewünschte Gehaltssumme laut auszusprechen und dies zu üben, um selbstbewusst aufzutreten.
  4. Anrufen und fragen: Grüninger ermutigt dazu, auch mal zum Telefonhörer zu greifen. Denn bereits ein kurzer Anruf könne zeigen, welche Gehaltsspannen üblich sind.
  5. Brutto-Netto-Rechner verwenden: Um herauszufinden, wie viel vom Bruttogehalt tatsächlich netto übrig bleibt, kann man einen Brutto-Netto-Rechner nutzen. Dabei kann man ruhig ein bisschen mit den Einstellungen experimentieren, so Schumacher. Denn verschiedene Faktoren wie Steuerklasse, Kirchenzugehörigkeit und die Wahl der Krankenkasse wirken sich auf das Nettogehalt aus.
  6. Verschiedene Gehaltsmodelle anschauen: Nicht zuletzt ist es wichtig, verschiedene Gehaltsmodelle genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Jahresgehalt sollte dabei im Vordergrund stehen, erklärt die Jugendabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Denn dieses enthält alle Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld und Zusatzleistungen. Nur so lässt sich ein Jobangebot wirklich umfassend bewerten.

Gehaltswunsch in der Bewerbung formulieren

Oft kommt die Frage nach dem gewünschten Gehalt im Vorstellungsgespräch. Doch immer mehr Firmen verlangen, dass Bewerberinnen und Bewerber bereits in der Bewerbung ihr Wunschgehalt angeben. Dabei gibt es ein paar wichtige Punkte zu beachten: „Ich würde immer eine Spanne angeben, solange man noch nicht sagen kann, wie der Job konkret aussieht und welche Zusatzleistungen dazugehören,“ sagt Grüninger. Schumacher hingegen rät, eine konkrete Zahl anzugeben – zum Beispiel statt 60.000 Euro lieber 62.700 Euro. „Je konkreter die Zahl, desto mehr hat das Unternehmen das Gefühl, man hat sich mit dem Gehalt beschäftigt.“ Das Wunschgehalt solle zudem stets in Brutto und als Jahresgehalt angegeben werden.

Wichtig: Nur wenn nach einer Gehaltsvorstellung gefragt wird, diese auch angeben, so Grüninger.

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