Mit 1 Million in Rente: Ab 60 ist das realistischer als vorher
Wie man so den Ruhestand finanziert.
Es muss nicht immer Glück im Spiel oder eine Erbschaft sein. Auch mit einer geschickten Geldanlage kann irgendwann eine Summe von einer Million Euro zusammenkommen. Aber was tun mit dem Geld? Der Arbeitswelt vorzeitig den Rücken kehren? Das mag verlockend klingen. Zumal, wenn man sich über ständige Überstunden ärgert und sich im Job nicht wertgeschätzt fühlt. Doch bei der Frage, ob ein solcher Betrag tatsächlich für den Rest eines Lebens ausreichen kann, ist Skepsis angebracht. Es gibt viele Risiken und Unwägbarkeiten.
Eine Million Euro lässt sich ansparen
Ausgeschlossen ist es nicht, durch Investments über einen längeren Zeitraum eine Million Euro anzusparen. Prof. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA), nennt ein Beispiel: „Wer 30 Jahre lang jeden Monat 1.200 Euro bei einer unterstellten Rendite von 5 % anlegt, bekommt die Summe zusammen.“ Aber eben diese Rendite ist auch ein Risikofaktor. Niemand kann vorhersagen, ob sie tatsächlich bei 5 % liegt oder nicht deutlich niedriger ausfällt.
Wichtiger Faktor ist das Alter
Angenommen, es klappt und die Million liegt auf dem Konto. Sich jetzt in den Ruhestand zu verabschieden - kann das gut gehen? „Entscheidend ist das Alter“, sagt der Vermögensverwalter Andreas Kalm, einer der Geschäftsführer von Wellinvest - Pruschke & Kalm. Aus seiner Sicht ist das Vorhaben im Alter von 40 oder 45 (oder jünger) „gewagt“. Schließlich müsste das Geld vermutlich mehrere Jahrzehnte reichen. Wer ein sehr hohes Lebensalter erreicht, dem droht möglicherweise Altersarmut - falls keine sonstigen Einnahmequellen zur Verfügung stehen. „Realistischer könnte das Vorhaben, mit einer Million Euro als Finanzpolster in Rente zu gehen, im Alter von 60 sein“, erklärt Kalm.
Rund 2.000 Euro pro Monat – genügt das?
Wer 40 oder 45 Jahre alt ist und damit kalkuliert, vier Jahrzehnte lang von der einen Million zu leben, müsste sich sein Geld entsprechend einteilen. Dann stünden rein rechnerisch im Jahr 25.000 Euro und somit pro Monat rund 2.000 Euro zur Verfügung. Aber ob das Geld wirklich reicht, ist fraglich. Es gibt nämlich weitere Faktoren zu berücksichtigen, zum Beispiel:
- Inflation: „Häufig unterschätzt wird der Effekt der Inflation“, sagt Heuser. Ein Geldbetrag, egal, wie hoch, verliert über die Jahre hinweg inflationsbedingt enorm an Kaufkraft.
- Familienstand: Single oder (Ehe-)Paar, mit Kindern oder ohne Kinder? Auch dieser Faktor spielt eine Rolle bei der Frage, ob man mit dem Geld finanziell über die Runden kommt oder nicht.
- Lebensumfeld: „In einer Großstadt wie München oder Hamburg sind die Lebenshaltungskosten deutlich höher als zum Beispiel auf einem Dorf“, sagt Kalm. Und es macht einen Unterschied, ob man in einer eigenen und vor allem schuldenfreien Immobilie lebt oder zur Miete.
- Lebenshaltungskosten: Von dem zur Verfügung stehenden Betrag wären nicht nur Essen und Trinken, sondern beispielsweise auch Strom, Gas und Wasser sowie Versicherungen zu zahlen.
Bei Wiederanlage mit spitzem Bleistift rechnen
Klar, ein Teil des Eine-Million-Betrags ließe sich wiederum gewinnbringend anlegen. „Denkbar ist etwa ein Mix aus vermieteter Immobilie, Aktien und Projektfinanzierungen als Geldanlage“, sagt Kalm. Aber auch hier gilt es, mit spitzem Bleistift zu rechnen. Bei der Immobilie sind etwa Instandhaltungskosten einzukalkulieren. Und die Höhe der Rendite in Sachen Aktien und Projektfinanzierungen ist mit einem Fragezeichen zu versehen. „Die Rendite kann üppig sein, aber es kann auch anders kommen“, so Kalm. Auf jeden Fall gilt es, die Anlagen breit zu streuen, um Kapitalverluste zu vermeiden.
Für Reisen und Hobbys fehlt womöglich das Geld
Abgesehen vom Finanziellen: „Man muss auch in die Waagschale werfen, ob es wirklich so erstrebenswert ist, mit 40 oder 45 in Rente zu gehen“, erklärt Heuser. Die Zeit für Reisen und Hobbys etwa ist dann zwar da - aber reicht dafür auch das Geld, das pro Monat zur Verfügung steht? Vielleicht wäre es möglich, mit viel Sparsamkeit über die Runden zu kommen. „Ob ein solches Leben für einen attraktiv ist, ist eine Frage der Einstellung“, sagt Heuser.
Ab Anfang 60 mit einer Million in Rente ist realistischer
„Realistischer könnte indes das Modell, mit einer Million Euro in Rente zu gehen, im Alter ab Anfang 60 sein“, findet Kalm. Im Normalfall haben Interessierte dann schon oft ausreichend Ansprüche auf eine Rente erworben, auf die sie zurückgreifen können. Wenn sie dann über 40 Jahre verteilt pro Monat etwa 2.000 Euro zusätzlich zur Verfügung haben, kann das ein „schönes Zubrot“ sein.
Mit 40 oder 45 beruflich kürzertreten
Was auch vorstellbar ist: Wer mit 40 oder 45 eine Million Euro in der Hinterhand hat, könnte seine Arbeitszeit zumindest reduzieren. Dann kommt zum Verdienst etwa aus einer Halbtagsstelle zusätzlich das Geld aus dem Eine-Million-Euro-Topf. „Der Vorteil wäre, dass man dann weiter über seine Tätigkeit voll kranken- und rentenversichert ist“, so Kalm. Und wer feststellt, dass das Plus an Freizeit langfristig doch nicht das Richtige ist, kann womöglich die Stundenzahl wieder aufstocken.