Rentenalter? Flexibel!

So läuft die Altersvorsorge in Schweden

Arbeit-Recht 4 min Lesedauer 23.05.2024

Immer mehr Rentner und Rentnerinnen bei immer weniger Beitragszahlenden: Aufgrund der demografischen Entwicklung droht dem derzeitigen deutschen Rentensystem mittelfristig der Kollaps. Eine Lösung muss her, doch noch tut sich die Politik hierzulande schwer mit Veränderungen. Oft heißt es, das Rentenmodell in Schweden könnte ein Vorbild für eine Reform in Deutschland sein. Aber ist das wirklich so?

Stichwort „Rentenalter flexibel“: In Schweden gibt es statt einem festen ein flexibles Rentenalter. Frauen und Männer können ihre Altersrente – mit Abschlägen – frühestens ab dem Monat beantragen, in dem sie 63 Jahre alt werden, volle Bezüge gibt es ab 66. Eine Altersobergrenze existiert nicht.

Und: „Trotz Rentenbezug können Beschäftigte in Schweden weiterarbeiten und neue Rentenansprüche generieren“, sagt Klaus Morgenstern vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA). Bei Rentnern und Rentnerinnen über 65 fallen auf den aus der Erwerbstätigkeit resultierenden Lohn weniger Steuern und niedrigere Sozialabgaben an.

Schweden erhöht das Renteneintrittsalter

In Deutschland gibt es aktuell immer mal wieder die Forderung, das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen, um die Rentenversicherung zu entlasten. Doch zu diesem Schritt hat sich die Ampelkoalition in Berlin bislang nicht durchringen können.

In Schweden hingegen ist 2023 eine Erhöhung des frühesten Renteneintrittsalters erfolgt – eben auf 63 Jahre. Da die Lebenserwartung steigt, passt sich auch das Renteneintrittsalter an. Für 2026 gilt ein sogenanntes Richtalter: Mit 67 gibt es dann in Schweden die volle Rente.

Kapitalgedeckte Rente ist Teil des schwedischen Rentenmodells

Aber nicht nur mit einem flexiblen Rentenalter macht Schweden von sich reden. Auch das Rentenmodell als solches unterscheidet sich von dem in Deutschland. So fließen in dem skandinavischen Land nur 16 % des Bruttogehalts von Arbeitnehmenden in die klassische umlagefinanzierte Rente. In Deutschland zahlen Beschäftigte und Arbeitgeber 18,6 % hälftig über die umlagefinanzierte Rente in ihre Altersvorsorge ein.

Zusätzlich zu den 16 % des Bruttogehalts sind in Schweden weitere 2,5 % automatisch und verpflichtend in Aktien oder Anleihen zu investieren. Das ergibt dann eines Tages die Prämienrente. Jedem Arbeitnehmenden steht es frei zu entscheiden, wo er oder sie konkret das Geld investiert: Neben rund 100 Fonds von privaten Anbietern gibt es auch einen staatlichen Aktienfonds. Dort laufen die Beträge automatisch ein, falls man nicht aktiv auf einen privaten Fonds setzt.

Für Arbeitnehmende ist die Rentenhöhe im Alter ungewiss

Wie hoch die Rente eines Tages im Alter durch Einzahlungen in das Umlageverfahren ausfällt, ist in Schweden ungewiss. Anders als früher gibt es keine Garantie für ein Rentenniveau. Über eine komplizierte Formel errechnen sich die Auszahlungen. Ist die Konjunktur in Schweden im Abwärtstrend und steigt die Lebenserwartung, fallen die Rentenbezüge automatisch geringer aus.

Wichtig zu wissen: „Die Höhe der Prämienrente beträgt in Schweden im Durchschnitt 200 Euro im Monat“, sagt Morgenstern. Sie ist allerdings ebenfalls keine feste Rentenzusage – sie kann schwanken. Wenn es an der Börse schlecht läuft, fällt sie geringer aus, wenn es gut läuft, höher.

Betriebliche Altersversorgung als weitere Säule im schwedischen Rentensystem

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist eine weitere Säule im schwedischen Rentensystem. Ihr Anteil an der Gesamtrente soll zwischen 25 % und 30 % ausmachen. Arbeitgeber zahlen 4,5 % des Bruttoeinkommens in einen zumeist kapitalgedeckten Rentenplan, wobei sich die Versicherten zwischen Anleihen und Aktienfonds entscheiden können. Auch hier ist die Rendite ungewiss. Rund 90 % aller Arbeitnehmenden sind in der betrieblichen Rente. Zusätzlich empfiehlt der schwedische Staat für die Altersvorsorge eine freiwillige Privatversicherung.

Grundrente als Mindestsicherung im Rentensystem

Wer in Schweden während des Berufslebens nur ein geringes Einkommen erzielt hat, erhält mit 65 eine Grundrente zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie berechnet sich aus der Höhe der einkommensbasierten Rente, der Dauer der Ansässigkeit in Schweden und dem Familienstand. Hinzu kommt das Wohngeld, das unabhängig von Eigentum oder Miete gezahlt werden kann. Daran wird kritisiert, dass die Grundrente für sich genommen nicht armutsfest ist.

Fazit: Wer Schweden als Vorbild für eine Veränderung von Rentensystemen sieht, muss sich auch die Kapitalanlagerisiken vor Augen führen. „Größere Schwankungen der Rentenleistungen können für erhebliche Unruhe in der Bevölkerung sorgen und damit zu politischen Verwerfungen führen“, warnt Klaus Morgenstern.

Übrigens: Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) beleuchtet die Alterssicherungssysteme in sechs europäischen Ländern, darunter Schweden – mit einem besonderen Blick auf dortige Rentenbausteine mit Kapitaldeckung

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