So viel Rente bekommen die Deutschen

Von Marilena Piesker, Nathanael Häfner, Mia Janzen und Julius Tröger, veröffentlicht von ZEIT ONLINE

ZEIT ONLINE 7 min Lesedauer 07.08.2024
© Pia Publies

Wer ein kaputtes System reformieren will, muss wissen, wo genau der Schaden liegt. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist eins der großen Probleme die Frage, wie die jüngere Generation die wachsenden Rentenbeträge stemmen soll. Immer weniger junge Beitragszahler zahlen für immer mehr alte Empfänger. Das neue Rentenpaket der Bundesregierung soll nun die Rente bis in die 2030er-Jahre hinein stabil halten und sichern.

Ob diese Rechnung aufgehen wird, ist offen. Klar ist aber: Entscheidend wird sein, was am Ende bei den Rentnerinnen und Rentnern ankommt. Wie viel das ist und wie sich die Auszahlungen der Rentenversicherung auf die deutschen Ruheständler verteilen, zeigen Daten der Deutschen Rentenversicherung, die ZEIT ONLINE ausgewertet hat. 

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Die meisten bekommen nur 1.054 Euro Rente im Monat

Laut dem aktuellsten deutschen Rentenatlas, den die Deutsche Rentenversicherung (DRV) jährlich herausgibt, liegt die Durchschnittsrente bei 1.550 Euro brutto. Für alle, die mehr als 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Die folgenden Grafiken zeigen dagegen die Entwicklung der Nettorenten. Diese Zahlen berücksichtigen alle Bezüge von Rentenempfängern bis einschließlich 2022. Also auch, anders als beim Rentenatlas, die Bezüge derer, die weniger als 35 Jahre eingezahlt haben. Die Zahlen lassen große Unterschiede erkennen. 

So viel Rente beziehen die Deutschen

Die Höhe der monatlichen Nettorente unter allen Beziehern von Altersrente 2022 können Sie der Grafik von ZEIT ONLINE entnehmen.

Das Ergebnis: Wirklich viel kommt demnach bei den meisten Rentnern und Rentnerinnen netto, also abzüglich Krankenversicherung und Steuern, nicht an. Nur 1.054 Euro netto hat jeder Rentner im Durchschnitt im Monat in Deutschland an gesetzlicher Rente. Immerhin rund 500 Euro weniger als die im Rentenatlas angegebene Zahl. Der niedrigere Wert ergibt Sinn: Schließlich fließen auch die Rentenansprüche von denjenigen ein, die prekär, kurzfristig oder in Teilzeit arbeiten. "Sehr niedrige Renten können auch daran liegen, dass die Rentenbezieher sich selbstständig gemacht haben, ein- oder ausgewandert sind", erklärt Johannes Rausch, Rentenforscher beim Munich Research Institute for the Economics of Aging and Share Analysis (MEA).  

Es scheint aber so, als hätte sich die finanzielle Lage für Deutschlands Rentner im Laufe der vergangenen 20 Jahre verbessert. Der Anteil derjenigen, die eine Rente von weniger als 150 Euro im Monat beziehen, hat sich ungefähr halbiert. Der Anteil der Rentner, die 1.950 Euro oder mehr monatlich erhalten, hat sich dagegen sogar fast verdoppelt. Und auch sonst verdichtet sich die Verteilung.

Die Renten gleichen sich über die Zeit langsam an

Die Höhe der monatlichen Nettorente unter allen Beziehern von Altersrente in 20 Jahren können Sie der interaktiven Grafik von ZEIT ONLINE entnehmen.

"Trotzdem deuten die Zahlen auf eine gewisse Ungleichheit hin", sagt Rausch. Die Hälfte aller deutschen Rentnerinnen und Rentner bekommt weniger als 1.050 Euro im Monat an gesetzlicher Rente. Die meisten rangieren zwischen 900 und 1.350 Euro. Immerhin acht Prozent beziehen eine hohe gesetzliche Rente von 1.950 Euro oder mehr. Vier Prozent bekommen dagegen weniger als 150 Euro monatlich. 

Die Höhe der Rente ist auch deshalb so bedeutsam, weil viele Menschen wenig anderes Vermögen haben. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge macht Rentenvermögen für die ärmeren 50 Prozent der Haushalte 70 Prozent ihres Vermögens aus. Für die Gesamtbevölkerung ist die Rente immerhin ein Drittel des Vermögens. Dagegen beträgt die Rente bei dem reichsten Prozent der Haushalte 2,6 Prozent ihres Vermögens. "Unsere Studie zeigt: Rentenvermögen gleicht Ungleichheit aus, weil sie besonders das Vermögen der ärmeren Hälfte erhöht", sagt Konjunkturforscher Timm Bönke vom DIW. Statt knapp zwei besitzt die ärmere Hälfte mit Rentenvermögen immerhin neun Prozent des Gesamtvermögens. 

Hinzu kommt laut Bönke: "In einem üppigen Sozialstaat müssen die Menschen weniger privat vorsorgen." Allerdings bedeuteten die Ergebnisse nicht, dass keine Ungleichheit bei den übrigen Vermögen bestehe, sagt Bönke. Vielmehr mildere das Rentenvermögen, wie ungleich die sonstigen Vermögen in Deutschland verteilt sind. Für die aktuellen Rentenzahlen heißt das also: Selbst wer wie fast die Hälfte der Deutschen weniger als 1.000 Euro Rente bezieht, lebt damit im Alter größtenteils von seinem oder ihrem Vermögen. Das würde sich erhöhen, stiegen die Rentenbezüge. Höhere Renten führten zu weniger Ungleichheit.

Alle Renten steigen, aber Männer bekommen deutlich mehr

Ungleichheit herrscht gemäß den Daten nicht nur zwischen Einkommensklassen, sondern auch zwischen den Geschlechtern. Während Männer im Schnitt 1.295 Euro im Monat erhalten, beziehen Frauen nur 863 Euro Rente netto. Und während mehr als 15 Prozent der Männer eine Rente von 1.950 Euro und mehr bekommen, sind es bei den Frauen nicht mal zwei Prozent. Mehr als 60 Prozent der Frauen beziehen eine Rente, die unter oder gerade im Durchschnitt liegt. Nur ein Drittel der Männer bezieht im Ruhestand genauso wenig Geld.

Deutlich höhere Renten für Männer

Die Höhe der monatlichen Nettorente unter allen Beziehern von Altersrente nach Geschlecht 2022 können Sie der Grafik von ZEIT ONLINE entnehmen. 

Dass vor allem Frauen so wenig Rente bekommen, liegt an oftmals kurzen Erwerbsbiografien, die für die älteren Generationen üblicher waren. Frauen zahlten oft nur bis zum ersten Kind in die Rentenkasse ein und fielen dann bis zur Rente völlig aus dem Erwerbsleben. Oder sie kamen in Teilzeit an den Arbeitsmarkt zurück. "Ein zweiter Grund sind natürlich die hohen Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau in der Vergangenheit", sagt Rausch. Der schlage sich heute in der Rentenverteilung nieder. 

Frauen holen langsam auf

Immerhin ist die Rente über die vergangenen 17 Jahre für alle Rentnerinnen und Rentner ausnahmslos gestiegen. Und tatsächlich haben sich die Bezüge von Männern und Frauen sogar minimal angeglichen. Während die durchschnittliche monatliche Nettorente aller Rentner um 304 Euro gewachsen ist, stieg die Pension aller Rentnerinnen um 354 Euro. Allerdings liegt die durchschnittliche monatliche Rente einer Frau immer noch mehr als 400 Euro unter der eines Mannes. Die Rentenlücke zwischen den Geschlechtern besteht also weiterhin.

Rentenpaket wird keine Gleichheit bringen

Mit dem nun vorgestellten Rentenpaket II will die Bundesregierung das Rentenniveau bei 48 Prozent eines Durchschnittseinkommens bis in die 2030er-Jahre sichern. Für viele Kritiker zu wenig. "Sollte lediglich die Haltelinie fortgeführt werden, kann dies an der Ungleichheit nichts ändern", sagt etwa der Münchner Rentenforscher Rausch. Weder zwischen Einkommensklassen noch zwischen den Geschlechtern. Auch Generationenkapital, das langfristig einen kleinen Teil der Beiträge über Einnahmen aus Kapitalerträgen eines Staatsfonds decken soll, wird die Renten nicht gleicher verteilen. Die gesetzliche Rente bleibt damit nur der Grundstein für den Ruhestand. Darüber hinaus muss jede privat vorsorgen.

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