Die USA und der Welthandel – was nun?

Die EU-Wirtschaft befürchtet harte Zölle

Aktuelles 5 min Lesedauer 08.11.2024

Niemand kann mit Sicherheit sagen, was Donald Trump in seiner bevorstehenden Amtszeit als 47. Präsident der Vereinigten Staaten so alles anstellen wird. Vor allem mit Blick auf seine Wahlkampf-Drohungen, Importzölle zu erheben, ist vieles noch gar nicht absehbar. Diese Unklarheit ist nicht nur zufällig, sondern offenbar Teil von Trumps Strategie, seine Pläne und Absichten in der Schwebe zu halten. Aber es ist genau diese Ungewissheit, die insbesondere der europäischen und der deutschen Wirtschaft zu schaffen macht.

In Deutschland gab es ein klares Votum zur US-Wahl. Im ZDF-Politbarometer vom 31. Oktober, wenige Tage vor der US-Wahl veröffentlicht, meinten 83 % der Befragten, ein Sieg von Trump wäre eher schlecht für Deutschland. Auch Ökonomen und Ökonominnen beschleicht ein ungutes Gefühl. Der Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), Moritz Schularik, kommentierte den Trumpschen Wahlsieg mit einer dramatischen Einschätzung: „Ich denke, das ist der ökonomisch schwierigste Moment in der Geschichte der Bundesrepublik, weil zur inneren Strukturkrise nun massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen auf uns zukommen, auf die wir nicht vorbereitet sind.“ Trumps wirtschaftspolitische Maßnahmen dürften protektionistische Zölle und Einfuhrbeschränkungen umfassen, die das Wachstum in Deutschland und Europa weiter belasten werden, so Schularik.

Weitreichende wirtschaftliche Verflechtungen

Für Deutschland und Europa steht tatsächlich viel auf dem Spiel. Die USA sind neben China der wichtigste Handelspartner der größten Volkswirtschaft in der Europäischen Union (EU). Besonders die Exporte deutscher Autos, Maschinen und Chemieprodukte sind von entscheidender Bedeutung. Im vergangenen Jahr exportierte Deutschland Waren im Wert von gut 200 Milliarden Euro in die USA – laut Statistischem Bundesamt rund 11 % des Gesamtexports. Der Import aus den USA lag mit 132 Milliarden Euro demnach deutlich darunter, was die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von den USA unterstreicht.

Womit müssen Deutschland und Europa nun in wirtschaftlicher Hinsicht in der zweiten Amtszeit von Donald Trump konkret rechnen? „Zunächst ist der Blick zurück, auf die erste Amtszeit von Trump, ein guter Indikator dafür, was von einer zweiten Präsidentschaft zu erwarten ist“, schreibt Stormy-Annika Mildner, Direktorin des Aspen Institute Deutschland im ifo-Schnelldienst. Trump hatte damals die Handelspolitik seiner Vorgänger verworfen. „Für ihn war Handel ein Nullsummenspiel“, führt die Expertin aus. „Das große Handelsdefizit der Vereinigten Staaten war für ihn der Beweis, dass andere Länder unfair handeln“, so Mildner. Gerade Deutschland, mit seinem beachtlichen Überschuss im Warenhandel mit den USA, sei ihm ein Dorn im Auge gewesen. „Zölle sollten helfen, gegen unfaire Handelspraktiken vorzugehen.“

Aggressive US-Handelspolitik zu erwarten

In der zweiten Trump-Amtszeit sei erneut mit einer aggressiven Handelspolitik zu rechnen, erwartet Analystin Mildner. Damit will er den heimischen Produktionsstandort stärken und das aktuelle Handelsdefizit der USA abbauen. „Trump kündigte an, dass er nicht nur die Zölle auf chinesische Produkte, sondern auch auf Einfuhren von Verbündeten der Vereinigten Staaten wie der EU erhöhen würde.“ So wolle er einen Zoll von 60 % auf chinesische Waren und einen allgemeinen Basiszoll von 10 % auf alle US-Einfuhren erheben. Er habe auch die Idee eines 100-prozentigen Zolls auf importierte Autos ins Spiel gebracht.

Wenn China durch die hohen Zölle weniger in die USA exportieren kann, könnte dies auch die Nachfrage nach Vorprodukten aus Deutschland verringern. Ein solches Szenario hätte nicht nur direkte Auswirkungen auf den Export, sondern auch auf die gesamte Volkswirtschaft. Laut Ifo Institut könnte der deutsche Export im „Tough Trump“-Szenario um fast 2 % zurückgehen. Besonders betroffen wären Branchen wie der Autoabsatz, der um 32 % sinken könnte, und die Pharmaindustrie, die einen Rückgang von 35 % erleben würde. Diese Einbußen wären für die Pharmaindustrie besonders schwer zu verkraften, da die USA ein wichtiger Markt für deutsche Arzneimittel sind.

Wie könnte die EU reagieren?

In Brüssel werden bereits die Messer für einen neuen Handelskonflikt gewetzt. Das Ifo Institut empfiehlt jedoch, dass Europa in mehrere Richtungen denkt und vorgeht: Erstens müsse sich die EU auf ein solches Szenario vorbereiten und sollte dazu die bis zur Amtseinführung Trumps verbleibende Zeit der Biden/Harris-Administration nutzen, um die Handelsbeziehungen mit den USA auf eine beständigere Grundlage zu stellen. Ein weiterer Schritt sollte darin bestehen, dass die EU ihre Beziehungen zu anderen Handelspartnern fördert, indem sie mehr Freihandelsabkommen ratifiziert, etwa mit Australien. Zweitens müsse die EU dann aber auch mit drastischen Gegenmaßnahmen reagieren, wenn Trump mit neuen Handelsbarrieren droht.

In Brüssel hofft man immer noch, dass es gelingt, Trump durch Verhandlungen milde zu stimmen. Das Szenario eines „milden Trump“, bei dem europäische Unterhändler eine Ausnahme vom Zollregime erwirken könnten, bleibt eine Möglichkeit. Die EU hat aber deutlich mehr zu verlieren als die USA, was ihre Verhandlungsposition schwächt. Mehr als 8 % der industriellen Wertschöpfung in Europa sind direkt oder indirekt auf den US-Markt angewiesen, während umgekehrt nur etwa 3,3 % der US-Wirtschaft von der Nachfrage der EU abhängen. Eine realpolitisch sinnvolle Reaktion der EU wäre vor diesem Hintergrund etwa, den Binnenmarkt zu stärken und den Dienstleistungssektor zu öffnen, um für die USA weiterhin attraktiv zu bleiben und so die transatlantischen Beziehungen zu stabilisieren.

ETFs kaufen? Super Auswahl – auch für Sparfüchse

Egal, ob Du ETFs kaufen oder in einen ETF-Sparplan investieren willst: Lass Dich inspirieren, verschaffe Dir einen Überblick und leg direkt los.

Zum ETF-Überblick