Wie man weniger ausgibt, ohne wirklich zu verzichten

Von Mona Linke, veröffentlicht von ZEIT ONLINE

ZEIT ONLINE 6 min Lesedauer 09.09.2024
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Menschen mögen schrecklich gescheite Wesen sein. Doch ist Geld im Spiel, handeln sie in etwa so besonnen wie Kapuzineräffchen. Das fanden Forscher aus Yale heraus, als sie die Primaten um Apfelstücke feilschen ließen. Die Äffchen zeigten dabei die gleichen intuitiven Muster, wie sie zuvor bei Menschen beobachtet wurden. Die Experimente bestätigen, was Verhaltensökonomen seit Jahrzehnten lehren: Statt in finanziellen Dingen nüchtern und zu unserem größten Vorteil zu entscheiden, reagieren wir impulsiv und emotional, glauben einem vagen Bauchgefühl eher als nackten Zahlen, nehmen das Hier und Jetzt viel zu wichtig – und vermiesen uns damit unseren Kontostand. 

Wenn Sie also gerade den dritten Entsafter bestellt haben, statt endlich einen Sparplan aufzusetzen, ist das vermutlich ein schlechtes Geschäft, aber immerhin: nur menschlich. Die gute Nachricht ist: Wir können lernen, unsere Urinstinkte zu kontrollieren, den ein oder anderen Reflex sogar in einen Vorteil ummünzen. Und am Ende des Jahres gut und gern ein paar Tausend Euro mehr auf dem Konto haben.

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Den Weihnachtsbonus nur zur Hälfte verprassen

Stellen Sie sich vor, Sie finden einen Zehneuroschein auf der Straße. Sicher würden Sie sich darüber freuen. Doch nicht so sehr, wie Sie sich über einen verlorenen Zehneuroschein ärgern würden. Denn: Wir Menschen hassen Verluste mehr, als wir uns über Gewinne freuen. "Verlustaversion" tauften die Wissenschaftler Amos Tversky und Daniel Kahneman dieses Phänomen. Und bis heute hindert es Menschen am Sparen. "Legen wir Geld zurück, verzichten wir auf Konsum, und das fühlt sich im ersten Moment wie Verlust an", sagt Sebastian Ebert, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Er meint, der Schmerz lasse sich mit Freude übertünchen. Und es klingt einleuchtend: Konnte nicht schon früher eine Kugel Eis ziemlich schnell über das aufgeschlagene Knie hinwegtrösten? "Der Trick ist, immer dann zu sparen, wenn gerade etwas reinkommt", sagt Ebert. Also etwa eine Gehaltserhöhung, das Weihnachtsgeld, die Nebenkostenrückzahlung. "Legen wir jedes Mal die Hälfte davon zurück, haben wir kein Verzichtgefühl." Nehmen wir an, Sie bekommen 700 Euro zu viel gezahlte Steuern zurück und einen Weihnachtsbonus über 1.200 Euro. Die Hälfte davon legen Sie direkt auf die Seite, also 950 Euro im Jahr.

Lieber durstig in der Kantine sitzen

Wer es wirklich ernst meint, findet im Netz etliche Spartipps: im Urlaub nur noch trampen, den Teebeutel zweimal aufgießen, Toilettenpapier im 64-Rollen-Pack kaufen. Sicher, ein Leben auf Dauer-Sparflamme brächte wohl den größten Erfolg. Doch genauso wie die wenigsten eine dreiwöchige Kohlsuppe-Fastenkur durchhalten und sich stattdessen an Tag drei acht Schokoriegel reinziehen, würden wohl die meisten Sparer kurze Zeit später zurück in ihre alten Gewohnheiten fallen. "Meist reicht es schon, bei Kleinigkeiten zu sparen, aber dafür regelmäßig", sagt Finanzexperte Ebert. Effektiver als beispielsweise im Sommerurlaub Taxigeld zu sparen, sei es, sich das Getränk in der Kantine abzugewöhnen. Oder mit der Freundin spazieren zu gehen, statt sich wie üblich im Café zu treffen. Sparen Sie sich unter der Woche im Büro die tägliche Limonade für 2,50 Euro, geben Sie übers Jahr 600 Euro weniger aus.

Bares ist Wahres?

Möglichkeiten zum spontanen Geldausgeben tun sich andauernd auf. Wie Sümpfe lauern sie auf unserem Weg, bereit, die guten Sparvorsätze zu versenken. Und oft gelingt es ihnen. Denn müssen wir spontan entscheiden, setzt das "System-1-Denken" ein, wie Daniel Kahneman es bezeichnet: Wir handeln schnell, emotional und unbewusst. So wie wir unwillkürlich einen Ball fangen, der uns zugeworfen wird, lassen wir uns im Schuhgeschäft ein weiteres Imprägniermittel aufschwatzen. Verhaltensökonomen nennen solche Situationen "heiße" Zustände. Und sie raten, sich in den "kalten" Momenten, wenn wir noch rational denken, darauf vorzubereiten. 

Sogenannte Cash-Stuffer, auf die man seit einer Weile auf Instagram und TikTok trifft, tun das tagtäglich. Die vorrangig jungen Leute demonstrieren im Netz, wie sie einmal im Monat oder zu Wochenbeginn budgetieren – also genau planen, wie viel sie wofür ausgeben wollen. Also etwa: 30 Euro für Drogerieartikel, 50 Euro für Restaurantbesuche. Gezahlt wird dann ausschließlich mit Bargeld. Und allein das macht offenbar schon einen Unterschied. "Allein die Haptik von Bargeld führt dazu, dass wir kurz innehalten und länger über einen Kauf nachdenken", sagt Monika Müller, Finanzcoach aus Wiesbaden. Dazu spiegle ein Fünfeuroschein – anders als die EC-Karte – ständig wider, wie viel Geld noch übrig ist. "Das Ausgeben fühlt sich eher an wie ein Verlust."

Teures Kleid, billiger Laptop

Doch wie identifiziert man eine unsinnige Ausgabe überhaupt als solche? Die Gründerinnen des FinTechs Beatvest meinen: Indem man das Preis-Leistungs-Verhältnis berechnet. Dazu wird der Preis eines Produkts durch die voraussichtliche Nutzungszeit geteilt. Bei einem Laptop, der 800 Euro kostet und im Schnitt täglich vier Stunden in Verwendung ist, sind das rund 80.000 Minuten im Jahr. Bei fünf Jahren Nutzungsdauer ergibt das 0,0019 Euro pro Lebensminute. Damit wäre das Produkt billig, glaubt man Beatvest: "Als Faustregel gilt: Alles, was mehr als 0,01 Euro/Minute kostet, hat einen ungünstigen Preis pro Lebensminute", schreiben sie in einem Beitrag. Ein Hochzeitskleid für, sagen wir, 8.000 Euro, das nur einmal im Leben für rund zehn Stunden getragen wird, kostet pro Minute ganze 13,30 Euro – wäre demnach also ein schlechtes Geschäft, das man überdenken sollte.

Wieder andere Ratgeber schlagen vor, Preise stets in Arbeitszeit umzurechnen. Ist mir die Taxifahrt zum Konzert wirklich zwei Stunden Arbeit wert? Oder der Neuwagen ein Jahr am Schreibtisch? Oder täten es nicht auch die S-Bahn und der Gebrauchtwagen? Angenommen, Sie unterdrücken auf diese Weise jährlich vier Spontankäufe in Höhe von 30 Euro. Sie sparen im Jahr 120 Euro.

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