Wichtiges rund um das Zinsplateau
Was die Entscheidung für Anlegende heißt
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Oktober 2023 über eine Zinspause in der Eurozone entschieden. Wir erreichen nun ein Zinsplateau – mit Folgen für alle, die bauen oder sparen wollen.
EZB lässt Leitzinsen unverändert
Was viele Fachleute erwartet hatten, trat im Oktober 2023 ein. Der EZB-Rat, das oberste geldpolitische Gremium der Eurozone, hat auf seiner Sitzung in Athen beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB unverändert zu lassen:
- Der Hauptrefinanzierungssatz, den Banken für Kredite bei der Notenbank zahlen müssen, bleibt bei 4,5%. Wird von „dem Leitzins“ gesprochen, ist meist dieser Zinssatz gemeint.
- Der Einlagensatz, den Geschäftsbanken für Einlagen bei der Notenbank bekommen, beträgt 4%.
- Der Spitzenrefinanzierungssatz für die Kreditaufnahme über Nacht liegt bei 4,75%.
Damit legt die EZB nach zehn Zinserhöhungen in Folge erst einmal einen Stopp ein. „Es gab in den letzten Monaten wohl keinen besseren Zeitpunkt für eine Zinspause als jetzt“, sagt Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Die EZB hatte die Zinsen seit Juli 2022 um 450 Basispunkte erhöht – das ist der stärkste Zinsanstieg aller Zeiten.
Nun dürfte nach Ansicht vieler Fachleute ein längeres Zinsplateau erreicht sein. Das ist eine Phase der Geldpolitik, in der die Zentralbanken die Zinsen nach mehreren Erhöhungen relativ stabil halten. „Da sich die Konjunktur kaum erholt hatte und jetzt schon wieder abschwächt, ist es richtig, dass die EZB erst einmal abwartet, wie sich die bisherigen Zinserhöhungen auf Konjunktur und damit auch Inflation auswirken“, sagt Brzeski.
Abschwächung der Inflation
Zuletzt waren die Inflationsraten in den Euroländern teilweise stark zurückgegangen. In Deutschland betrug die Inflationsrate dem Statistischen Bundesamt zufolge im Oktober 2023 3,8% – der niedrigste Stand seit August 2021 mit ebenfalls 3,8%. Im August hatte die Inflationsrate noch bei 6,1% gelegen. Allerdings sind die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel weiterhin besonders hoch.
Geldpolitik der EZB verteuert Kredite
Die derzeitigen Zinsen belasten private Haushalte, die für ihr Haus einen Kredit benötigen: Die Zinsen für zehnjährige Baudarlehen lagen Anfang November bei 4,3%. Wegen der seit Monaten anziehenden Zinsen ist laut EZB die Kreditnachfrage bereits deutlich zurückgegangen, es werden weniger Häuser und Wohnungen gekauft. Zudem haben sich die Kreditstandards für Privatpersonen verschärft – mit Folgen: Die Wachstumsrate der Vergabe von Krediten an private Haushalte verlangsamte sich auf 1,0% im August und 0,8% im September, berichtete EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz zum Zinsentscheid.
Mehr Festgeld durch Zinswende
Für Sparende sieht die Zinslage rosiger aus: Nach jahrelanger Durststrecke können sie mit Festgeld wieder positive Realzinsen erzielen. Die Erträge dieser Anlagen liegen zum ersten Mal seit der Zinswende oberhalb der aktuellen Inflationsrate, berichtet das Vergleichsportal Verivox aufgrund eines aktuellen Zinsvergleichs. Der Topanbietende am Markt biete bis zu 4,75% aufs Festgeld. Geldhäuser mit deutschem Einlagenschutz zahlen bis zu 4,15% Festgeldzinsen. EU-weit sind Anlagesummen bis 100.000 Euro pro Bank und Person durch die gesetzliche Einlagensicherung geschützt.
Auch Rentenfonds im Aufwärtswind
Die Zinswende und nachlassende Inflationssorgen machen auch Rentenfonds wieder attraktiver, bei denen Sie Ihr Kapital in Wertpapiere wie Anleihen investieren. Zum Beispiel kletterte die durchschnittliche Rendite für Euro-Unternehmensanleihen von rund 0,91% im Oktober 2021 auf 4,58% im Oktober 2023. Die Auswirkungen steigender Zinsen können Anlegerinnen und Anleger für sich nutzen.
Achtung: Vergleichen Sie die Kurse verschiedener Anleihen genau, da sie teilweise zuletzt wieder gefallen sind.
Wirtschaft kühlt sich ab: Zinsgipfel?
Die Notenbank betont, vorerst auf dem Zinsplateau bleiben zu wollen. Laut EZB-Präsidentin Lagarde wird die EZB die Leitzinsen so lange unverändert lassen, bis sich die Teuerungsrate in der EU dem Stabilitätsziel von 2% annähert. Im September 2023 lag diese noch bei 4,3%. „In ein paar Monaten werden wir auf die Entscheidung im Oktober zurückschauen und feststellen, dass damals der Zinsgipfel schon erreicht war“, prognostiziert ING-Experte Carsten Brzeski. „Die Inflation geht zurück – wenn auch noch nicht zur Zielmarke von 2% – und die Wirtschaft kühlt sich stark ab. Das ist nicht der Moment, um die Zinsen weiter zu erhöhen.“
Brzeskis Einschätzung nach wird es wahrscheinlich bis in den Frühsommer 2024 dauern, bis die EZB über eine erste Zinssenkung nachdenken kann. Bis dahin sollte die Inflation dauerhaft zwischen 2% und 3% liegen. „Das ist dann der Moment, in dem die EZB die (Zins-)Zügel wieder etwas lockerer hängen lassen kann“, erklärt der Volkswirt.